Nerds und andere Chaosforscher unter sich: "Helden der Wahrscheinlichkeit".

Foto: Henrik Ohsten/Zentropa

Wenn Menschen der blinde Zufall trifft, dann schlägt die Stunde der Chaostheoretiker. In der Tragikomödie Helden der Wahrscheinlichkeit – Riders of Justice von Anders Thomas Jensen geschieht ein Unglück in einer U-Bahn. Dass ein Mann gerade vorher noch seinen Platz einer Frau angeboten hat, dass er statt ihr hätte sterben können, das sind die kleinen Spuren des Schicksals, auf denen diese Geschichte unterwegs ist. Vier Männer kommen schließlich zusammen, eine unwahrscheinliche Gruppe, aber das ist gerade der Punkt: Gegen das Sinnlose kann man nur mit dem vorgehen, was nicht naheliegt.

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Mads Mikkelsen steht im Mittelpunkt, muss aber nicht dominieren: Er spielt einen Afghanistan-Veteranen, der schon genug Traumata erlitten hat, da sollen ihm nicht auch noch Leute mit einer Verschwörungstheorie über den Tod seiner Frau in der U-Bahn kommen. Genau das ist dann aber der Fall: Zwei Nerds konfrontieren ihn mit ihren algorithmisch hergeleiteten Vermutungen, dass nämlich der Unfall eventuell ein Anschlag war.

Ein Vierter wird vor allem aus Gründen der Vollständigkeit hinzugezogen (ein Quartett macht mehr her als ein Trio, und in einem Auto sind meist vier Plätze). Vielleicht aber ist der Vierte auch einfach dabei, weil ein noch besonders schräger Typ für einen Film nie schadet: Emmenthaler ist Informatiker, und zwar mehr auf der informellen Seite, also dort, wo sich die Leute im Eingemachten von Programmen tummeln. Emmenthaler ist auch fett und ein wenig verwahrlost, also ideales Material für eine Geschichte, in der Männer mehr oder weniger zum Glauben an das Christkind bekehrt werden sollen.

Das Absurde

Denn Jensen verleiht der ganzen Geschichte noch einen erbaulichen Rahmen um ein gestohlenes Fahrrad und um einen weiteren (in diesem Fall den härtesten und schließlich federleichtesten) Wimpernschlag des Schicksals. Wie schon in seinen früheren Komödien (In China essen sie Hunde, Dänische Delikatessen, Adams Äpfel) vermischt Jensen geschickt die Konventionen des Arthouse-Kinos mit teils drastischen Absurditäten. Er behält dabei immer ein menschliches Maß bei und schafft es auch, extreme Gewalt so aussehen zu lassen, als wäre sie immer eine Vorstufe zu etwas Heilsamen. Seine Filme wirken wie Rezepturen, bei denen schließlich doch niemand die Mischung so hinbekommen würde wie er.

Die Helden der Wahrscheinlichkeit wissen tatsächlich alles besser, machen dabei alles noch schlimmer und werden am Ende mehr oder weniger von dem geordneten Chaos selbst rausgehauen, das Anders Thomas Jensen mit legerer Souveränität zur Entfaltung bringt. (Bert Rebhandl, 28.10.2021)