Im Einzel zählt Alexander Zverev zu den hohen Favoriten auf den Titel in Wien. Im Doppel spielt er mit Jürgen Melzer.

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Alexander Zverev wäre kalt geworden, hätte er sich nicht bewegt. Am Mittwochabend spielte er bei den Erste Bank Open im Doppel, allerdings nicht in der Stadthalle, sondern auf dem frischen, zentral gelegenen Platz am Wiener Eislaufverein. Schlittschuhe trug Zverev freilich nicht, der Belag ist auch rund vier Kilometer östlich vom Vogelweidplatz jener eines tourüblichen Hartplatzes.

Über Zverevs Kopf surrten zwei Ventilatoren, in etwa halb so groß wie der Mittelkreis eines Fußballfeldes. Sie sahen so aus, als müssten sie noch ein bisschen wachsen, um im Windpark Bruck an der Leitha einziehen zu dürfen. Zverev hat einen vergleichsweise hohen Ballwurf beim Aufschlag, außerdem ist er 1,98 Meter groß. Die Ventilatoren haben Zverevs Bälle glücklicherweise trotzdem nicht zerhackt, sie sind auf etwa zehn Meter Höhe montiert.

Dass Zverev (24) in Wien auch im Doppel spielte, ist Jürgen Melzer (40) zu verdanken. Der ÖTV-Sportdirektor verabschiedete sich mit einer Zweisatzniederlage gegen das als Nummer drei gesetzte Duo John Peers/Filip Polasek (AUS/SVK) nach 22 Jahren endgültig vom Profitennis. Zverev ist aktuell die Nummer vier im Einzel. Im Sommer schlug er unter anderem Novak Djokovic und gewann Gold bei den Olympischen Spielen. Dass er mit Melzer spielte, war löblich, macht ihn sympathisch. Er kann es brauchen.

Häusliche Gewalt

Zverevs Ex-Freundin Olga Scharypowa wirft ihm physische und psychische Gewalt in deren 13-monatiger Beziehung vor. Unter anderem soll er sie in einem Hotelzimmer am Rande des Masters-Turniers in Schanghai 2019 attackiert haben. Die Vorwürfe seien "verleumderisch und unwahr", das hat Zverev inzwischen mehrfach betont. "Um ehrlich zu sein, ist es in meiner Situation sehr schwierig, denn oft wird dem Mann nicht wirklich geglaubt", sagte er zudem in Indian Wells Anfang Oktober. Es falle ihm "sehr schwer, meinen Namen reinzuwaschen".

Die ATP kündigte an, die seit bereits mehr als einem Jahr im Raum stehenden Anschuldigungen zu untersuchen. Dies begrüßte Zverev deutlich. Der Weltverband habe "ein Jahr zu lang gewartet". Klar ist: Die Anschuldigungen bleiben bis zur Aufklärung ein Thema.

Service als Schlüssel

Zverev spielt seit Monaten hervorragendes Tennis. Er ist wie kaum ein anderer in der Lage, aus jeder Position direkte Gewinnschläge anzubringen. Sein Service ist wie ein Wolf im Schafspelz, das weiß er selbst am besten: "Der Aufschlag ist der Schlüssel zu meinem Spiel. Wenn er funktioniert, spiele ich großartig. Wenn nicht, verliere ich Matches." Ihm gelingen rund zehn Asse pro Match. Zverev schlägt in der Regel schneller auf als seine Gegner, zudem erzeugt er extremere Winkel. Damit gewinnt er 83 Prozent seiner Aufschlagspiele, auf der Tour reicht das für Platz 25. Im Schnitt schlägt Zverev über die vergangenen zwölf Monate aber auch 4,8 Doppelfehler pro Match. Nur drei Spieler verzeichnen mehr.

Ist der Ball einmal im Spiel, gibt Zverev einen offensiv orientierten Grundlinienspieler mit kompromisslosen, brachialen Schlägen. Vor allem um die Rückhand beneiden ihn viele Kontrahenten. Trotz seiner Körpergröße bewegt sich Zverev dazu auch noch exzellent, mit seiner Reichweite ist es schwer, gegen ihn Winner zu schlagen. Der Volley zählt noch zu Zverevs Schwächen, Auftritte im Doppel helfen, ihn zu verbessern. Im Einzel feierte Zverev einen soliden Zweisatzsieg, am Donnerstag geht es gegen Alex de Minaur (Australien). Als Nummer zwei der Setzliste ist Zverev Favorit.

Sprechchöre für Novak

Für ein Highlight aus österreichischer Sicht sorgte Dennis Novak. Am Dienstagabend gewann Österreichs zweitbester Tennisprofi vor euphorischem Publikum in zwei knappen Sätzen gegen Gianluca Mager (Italien). Nach dem Spiel riefen die Zuschauer Novaks Namen, er hat es "extrem genossen".

"Das gibt mir sehr, sehr viel. Ich bin eher so ein Spieler, der solche Bühnen braucht, den das motiviert. Innerlich habe ich das alles aufgesaugt." Am Donnerstag trifft er auf Jannik Sinner. Novak ist klarer Außenseiter, bei einem weiteren Erfolg wäre er aber wieder in den Top 100 der Welt. Das wäre nur ein Zwischenschritt, mit Trainer Günter Bresnik peilt er die Top 30 an. "Spielerisch ist das auf jeden Fall möglich." (Lukas Zahrer, 28.10.2021)