Demonstranten gehen in Khartum (im Bild), aber auch in anderen Städten des Sudan, gegen die Machtübernahme durch die Militärs auf die Straße. Es kam zu Zusammenstößen mit Sicherheitskräften.

Foto: EPA / Mohammed Abu Obaid

Wenn ein Putschgeneral beteuert, dass es keinen Putsch gegeben hat, sondern nur eine "Korrektur" des demokratischen Prozesses, weil Gefahr im Verzug war, dann folgt er dem klassischen Drehbuch: Aber davon abgesehen hatte das Auftreten General Abdelfattah al-Burhans, des Chefs der alten und neuen Militärjunta im Sudan, am Dienstag einige seltsame Züge. Burhan bestätigte, dass Zivilisten in der gestürzten Führung und Minister verhaftet wurden – aber "nicht alle". Und Abdalla Hamdok, der aus dem Amt entfernte Premierminister, sei "Gast" in seinem, Burhans, Haus, denn er sei bedroht. Sobald es wieder sicher sei, könne er in sein eigenes Heim zurück.

Tatsächlich war Hamdok, ein international angesehener Wirtschaftsexperte, der die nach dem Sturz von Omar al-Bashir 2019 errichtete zivile Regierung führte, bereits Dienstagnacht wieder zu Hause – und konnte sogar mit US-Außenminister Antony Blinken telefonieren. Das zeugt von dem massiven Druck, den die USA, aber auch die EU und ihre Mitgliedsstaaten auch am Mittwoch weiter aufrechterhielten.

Die EU-Delegation in Khartum forderte gemeinsam mit den Botschaften der USA, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und anderer Staaten ein Treffen mit Hamdok, den man weiter als Regierungschef ansehe.

Gefahr eines Bürgerkriegs?

Burhan hatte vage von einem drohenden Bürgerkrieg geredet, den "rassistische und konfessionelle" Elemente im Sudan auszulösen gedroht hätten. Gegen eine zivile Führung hätten die Militärs im Prinzip gar nichts, sagte er – solange die Zivilisten mit den Militärs zusammenarbeiten würden und "keine typischen Politiker" seien.

Einiges sprach am Mittwoch dafür, dass die Putschpläne auch in der Putschführung selbst nicht unumstritten waren oder sind. Demnach soll es Druck aus Teilen des Sicherheitssektors auf Burhan gegeben haben. Die Spekulationen lauten, dass die treibende Kraft die Nummer zwei im bisherigen "Souveränen Rat", Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemeti, war. Denn auch Ägypten, zu dem Burhan allerbeste Verbindungen hat, soll vom Putsch im Sudan überrascht worden sein, heißt es in der Washington Post.

Der eigentliche starke Mann

Hemeti, dem Gründer der aus den berüchtigten Jamjaweed-Milizen im Darfur-Krieg hervorgegangenen RSF (Rapid Support Forces), werden gute Kontakte zu den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien nachgesagt. Im "Souveränen Rat" – einer Art Präsidentschaft, die 2019 als Teil der Übergangsregelung geschaffen wurde – galt er, nicht Burhan, als der eigentliche starke Mann. Der "Rat" hätte laut Übergangsregelung in Kürze von einem Zivilisten übernommen werden sollen: Das könnte einer der entscheidenden Gründe für den Putsch gewesen sein.

In New York trat am Dienstag der UN-Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen, aber fand keine einheitliche Position. Russland und China vertraten den Standpunkt, dass es noch nicht geklärt sei, ob es sich um einen Putsch handle. Die Afrikanische Union (AU) sah das anders und suspendierte die Mitgliedschaft des Sudan. Von den arabischen Freunden des Sudan, die den Sturz von Omar al-Bashir 2019 unterstützt hatten, kam vorerst nichts – beziehungsweise neutrale Distanz.

Offenbar geben sich die USA, die bereits am Montag eine geplante Hilfszahlung von 700 Millionen US-Dollar an den Sudan stornierten, damit aber nicht zufrieden. Ein Telefonat Blinkens mit seinem saudi-arabischen Amtskollegen Faisal bin Farhad Al Saud produzierte eine Erklärung, die jedoch nur auf der Website des US-Außenministeriums erschien. Darin steht immerhin, dass Blinken "und der Außenminister" (Saudi-Arabiens) die militärische Machtübernahme im Sudan "verurteilen".

USA fühlen sich düpiert

Die USA reagieren auch deshalb so scharf, weil der US-Sonderbeauftragte für das Horn von Afrika, Jeffrey Feltman, am Wochenende nur wenige Stunden vor dem Putsch Khartum im Glauben verlassen hatte, die Generäle würden seine Warnungen ernst nehmen. Wie Foreign Policy berichtet, war es am Samstag nicht nur zu einem Treffen Feltmans mit Hamdok, Burhan und Hemeti gekommen, sondern am Sonntag zu einem zweiten, nur mit den Militärs. Dabei hätten sie eine mögliche Machtübernahme bereits in den Raum gestellt. Dennoch fühlten sich die USA düpiert.

Im Sudan geben indes die Unterstützer der zivilen Regierung nicht auf: Nicht nur in Khartum, auch an anderen Orten wurde demonstriert. Es gab Spekulationen, dass Burhan rasch einen neuen Regierungschef ernennen könnte, um das Ausland ruhigzustellen und die Proteste einzudämmen. Ob das gelingt, ist fraglich. Aber auch die Forces for Freedom and Change (FFC), die 2019 den Sturz Bashirs erreichten, sind nicht mehr so einig wie früher. Eine FFC-Abspaltung ging in den vergangenen Wochen gegen die Regierung auf die Straße. (Gudrun Harrer, 27.10.2021)