Sie haben einander gefunden: Judith Schwentner, Chefin der Grazer Grünen, Wahlgewinnerin Elke Kahr von der KPÖ und SPÖ-Chef Michael Ehmann.

Foto: cms

Er stand bisher eher im Schatten. Gut, sein Ergebnis von mageren 9,5 Prozent bei den Grazer Gemeinderatswahlen hatte nicht unbedingt für einen Platz im Scheinwerferlicht gereicht, in dem die beiden Wahlgewinnerinnen KPÖ und Grüne am Abend des 26. September standen. Aber dennoch: Jetzt, Wochen später, spielt SPÖ-Chef Michael Ehmann mittlerweile eine nicht ganz unwesentliche Rolle bei den Koalitionsverhandlungen im Grazer Rathaus.

KPÖ-Chefin Elke Kahr, die große Wahlsiegerin, die den ÖVP-Langzeitbürgermeister Siegfried Nagl vom Thron gestoßen hatte, und Grünen-Frontfrau Judith Schwentner basteln mit Ehmann, den sie eingebunden haben, an einer rot-grün-roten Stadtkoalition. Warum Ehmann, der den Wiedereinzug in die Stadtregierung nicht geschafft hat, dennoch für eine neue Links-der-Mitte-Koalition in Graz wichtig ist, liegt an den vier SPÖ-Gemeinderäten. Diese werden für die Bildung einer Koalition gebraucht. KPÖ und Grüne kommen gemeinsam auf 24 Mandate, es sind aber mindestens 25 für eine Mehrheit im Stadtparlament nötig. In der Stadtregierung reichen KPÖ und Grünen ihre gemeinsamen vier der insgesamt sieben Stadtsenatssitze.

"Wickel" in der SPÖ

Dass die SPÖ hier mitmacht, wollte die Landes-SPÖ nicht durchgehen lassen. Ehmann ließ sich aber nicht beirren. "Für mich war das keine Frage. Wenn ich die Möglichkeit habe, mich und die Partei mit eigenen Ideen und Konzepten einzubringen, werden wir uns natürlich engagieren. Was wäre die Alternative gewesen: Im Gemeinderat zu sitzen und ab und zu die Hand zu heben? Wir drei reden jetzt auf Augenhöhe."

In der SPÖ-Landesspitze wollte man das aber anders sehen und Ehmann davon abhalten, mit den Kommunisten in eine Koalition zu gehen. Vor allem aber, weil sie im Land mit der ÖVP in einer Regierung sitzen und Angst haben, die Landeshauptmannpartei zu vergrämen. Immerhin hilft in Graz nun die SPÖ mit, die ÖVP-Vormacht in der Stadt abzubauen. Die Landesroten befürchten jetzt jedenfalls eine Störung des Koalitionsklimas in der Landesregierung.

"Ich finde, wir sind hier in Graz jetzt eine interessante Mischung links der Mitte, das wird ein ganz anderes Gesicht der Stadt ergeben als die Mitte-rechts-Regierung wie bisher. Ich kenne Elke Kahr seit vielen Jahren, sie ist sehr pragmatisch und sachorientiert, da geht es um Kommunalpolitik und nicht um die Weltmächte einst und jetzt. Ihren Erfolg muss man neidlos anerkennen", sagt Ehmann.

Ein anderes politisches Klima

"Es geht um eine klimatische Umkehr", bekräftigt Judith Schwentner, wohl bald Grünen-Vizebürgermeisterin. Es seien zwar noch viele Stationen in den Verhandlungen zu gehen. Das Budget, die Beteiligungen, die zahlreichen Klimaschutz- und Verkehrsprojekte müssten noch genau aufgeschlüsselt werden. Im Großen gehe es aber um eine neue, offene politische Atmosphäre in Graz. Die Stadtpolitik werde – darin seien sich die drei Parteien einig – "eine neue politische Kultur" vorleben. "Es geht um einen neuen Umgang mit den Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadt. Wir wollen neue Sachen ausprobieren, Experimente zulassen und die Menschen anregen, mitzudenken und -gestalten", sagt Judith Schwentner. Was noch sehr theoretisch klingt, soll aber in den nächsten Monaten auf den Boden gebracht werden. Nach 19 Jahren ÖVP-Kontinuität werde die Transformation jedenfalls beachtlich sein. Und vor allem: "Zwei Frauen an der Spitze, das ist doch auch einmal etwas, oder?", sagt Schwentner.

Elke Kahr, wohl künftige Bürgermeisterin von Graz, will all das Gesagte unterstreichen. "Es geht darum, die Stadt wieder als Dienstleisterin zu begreifen und nicht als Selbstbedienungsladen", sagt Kahr. Es sei "total erfreulich, dass wir drei auf einem so guten Weg sind". Die Schnittmengen mit den Grünen und auch Michael Ehmann seien "sehr groß".

Keine U-Bahn

Ein Faktum, das nach ersten Verhandlungen praktisch feststeht: Die steirische Landeshauptstadt wird wohl keine U-Bahn bekommen. KPÖ, Grüne und auch SPÖ hatten dies ja schon im Wahlkampf abgelehnt.

Die Variante einer U-Bahn wird zwar noch von einem Expertengremium zu Ende begutachtet, aber auch dort wird sich dafür, wie es heißt, keine Mehrheit finden.

Ein Aus der U-Bahn-Pläne bedeute aber nicht ein Aus für Großprojekte. Beträchtliche Mittel sollen in andere große Verkehrsprojekte investiert werden, sagt Kahr. (Walter Müller, 27.10.2021)