Der Streisand-Effekt ist Andy Grote wohl nicht geläufig. Hamburgs Innensenator bzw. die Bezeichnung von ihm als "so 1 Pimmel" sorgte in den vergangenen Wochen für enormes Aufsehen – vor allem aber, weil SPD-Politiker und die Behörden selbst das Thema mit teils skurrilen Aktionen am Köcheln hielten.

Aber gehen wir an den Ursprung dieser Posse zurück: Im Juni 2020, also während der Pandemie, hatte Grote seine neuerliche Berufung zum Innensenator unter Missachtung der Corona-Regeln in einer Bar gefeiert. Er zahlte eine Geldbuße, einen Rücktritt schloss er aus.

Das hielt Grote aber nicht davon ab, seinerseits im Mai dieses Jahres Menschen als "ignorant" zu bezeichnen, die trotz Corona im Schanzenviertel, einer Hamburger Ausgehmeile, gefeiert hatten. Anders als er selbst waren sie im Freien unterwegs, die Ansteckungsgefahr also mutmaßlich geringer.

Als Reaktion folgte ein an Grote gerichteter Tweet mit dem Wortlaut "Du bist so 1 Pimmel" – für den Innensenator Anlass zur Anzeige. Nach einem Strafantrag Grotes wegen Beleidigung – und nachdem die Beleidigung bereits gestanden worden war – durchsuchte die Staatsanwaltschaft im September die Wohnung des vermuteten Urhebers des Tweets. Tausende Menschen kritisierten die Aktion im Netz unter dem Hashtag "Pimmelgate" und "Pimmelgrote" als unverhältnismäßig und überzogen.

Gelbe Aufkleber mit dem Slogan "Andy, Du bist so 1 Pimmel" tauchten daraufhin im Umfeld der Wohnung des Senators auf St. Pauli auf, in der ersten Oktoberhälfte entfernte die Polizei knapp 40. Am linksalternativen Kulturzentrum Rote Flora, ebenfalls im Schanzenviertel, wurde am Samstag ein Plakat mit dem Schriftzug angebracht. Das wollte die Polizei allerdings so nicht sehen: Sie übermalte den Schriftzug mehrfach – und mehrfach war er kurz darauf wieder an der gleichen Stelle zu lesen, teils in leicht abgewandelter Form. Zuletzt war er um den Zusatz "tritt zurück" ergänzt.

Foto: imago images/Hanno Bode

Die Behörden dachten schließlich um: Die Polizei wird nicht mehr zur Übermalung ausrücken. Man habe entschieden, dass man "aus dieser Spirale rausmüsse", sagte eine Polizeisprecherin. Bei Grundwiederholung der Aussage und dem Wissen, dass Grote bei gleichlautenden Beleidigungen nicht gewillt sei, Strafantrag zu stellen, könne die Polizei auf Erstattung einer Anzeige verzichten, hieß es weiter. Nur ein Foto würde gemacht werden. Noch am Montag hatte die Polizei erklärt, dass bei dem Schriftzug eine Beleidigung im Raum stehe, sie dem Legalitätsprinzip unterliege und tätig werden müsse.

Pimmel ist nicht mehr Priorität

Zuvor hatte es sogar von der Polizei Kritik gegeben. Die Polizeigewerkschaft in Hamburg kritisierte die vielen Einsätze. Die Polizei habe Wichtigeres zu tun, als ständig Malermeister vor der Roten Flora zu sein oder Aufkleber abzukratzen, sagte Polizeigewerkschafts-Landeschef Thomas Jungfer. Auch die Opposition im Hamburger Senat reagierte empört, Linke und CDU brachten Senatsanfragen zur Aufklärung auf den Weg.

Auf Twitter nahm die Causa indes ihren humoristischen Lauf: Unter anderem wurden weitere kreative Aufkleber angebracht, fotografiert und geteilt, ein neues Wappen für Hamburg sowie diverse "Fanartikel" erstellt.

Und bei der Personensuche auf Twitter nach "Pimmel" kommt als Erstes: das Profil von Innensenator Andy Grote. Gegen ihn gibt es neben den plakativen auch politische Rücktrittsforderungen, unter anderem aus der in Hamburg oppositionellen CDU. Grote müsse zurücktreten, um weiteren Schaden von seinem Amt fernzuhalten, sagte der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Dennis Gladiator. (maa, 28.10.2021)