Auch am zweiten Tag haben Unterstützer Assanges vor dem Gericht für seine Freilassung protestiert.

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Die Verteidigung des Wikileaks-Gründers Julian Assange hatte der US-Seite am zweiten Tag des Berufungsverfahrens Paroli zu bieten: Angesichts des psychischen Leidens Assanges sei eine Auslieferung unter keinen Umständen möglich – egal welche vermeintlichen Garantien die US-Seite hierfür liefert, hält Assanges Verteidiger Edward Fitzgerald fest. Dieser brachte im Rechtsstreit um die Auslieferung Assanges auch die Yahoo-Berichte über angebliche Anschlagspläne der CIA gegen Assange ein. "Es wurde darüber geredet, Herrn Assange zu töten, zu entführen oder zu vergiften", sagte er. Julian Assange selbst war am zweiten Tag der Verhandlung weder physisch noch via Livestream anwesend.

Am Vortag hatte die US-Seite mildere Haftbedingungen für Assange in Aussicht gestellt – sollte dieser in die USA überstellt werden. Gar von einem Haftantritt in Australien war die Rede. Im selben Atemzug hatte die Klägerseite aber auch eingeräumt, dass sie spezielle Maßnahmen wie Isolationshaft nicht gänzlich ausschließen könne. Angegriffen wurde auch ein langjähriger psychiatrischer Gutachter, der in seinem Befund festhielt, dass sich Assange bei einer Auslieferung vermutlich das Leben nehmen würde.

Dieser Befund floss maßgeblich in das erstinstanzliche Urteil von Jänner ein: Eine Richterin hatte damals das Auslieferungsbegehren mit Blick auf die zu erwartenden Haftbedingungen in den USA und Assanges angegriffene psychische Gesundheit abgelehnt.

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Julian Assange nahm am Vortag per Videoschaltung an der Anhörung teil.
Foto: Elizabeth Cook

Komplott gegen Assange

Am zweiten Berufungstag kam nun die Verteidigung auf die mutmaßlichen Anschlagspläne zu sprechen: Investigative Journalisten hatten vor einigen Wochen unter Berufung auf 30 ehemalige Geheimdienst-Beamte berichtet, der US-Geheimdienst habe Anschlagspläne gegen Assange geschmiedet, während dieser sich noch in der ecuadorianischen Botschaft in London aufhielt. Ein ehemaliger Chef der spanischen Sicherheitsfirma UC-Global, die für die Bewachung der Botschaft zuständig war, soll dabei für die CIA gearbeitet haben. Auch die spanische Justiz ermittelt zu dieser Causa.

Im Lichte dieser Ermittlungen wiesen die Verteidiger die Kritik am Gerichtsgutachter zurück. Laut US-Staatsanwaltschaft hätte dieser seine Glaubwürdigkeit verspielt, indem er Assanges Beziehung zur Anwältin Stella Moris und ihr "Familienleben" in der ecuadorianischen Botschaft verheimlicht hatte. Angesichts mutmaßlicher Mordpläne durch US-Agenturen sei dies aber aus berufsethischer Sicht nachvollziehbar, argumentierte die Verteidigung. Schließlich hätte sich der Psychiater um die Sicherheit der Lebensgefährtin und deren Kinder gesorgt.

Zweifel hatte die US-Seite auch am Schweregrad der Depressionen Assanges. Ohnehin habe sich noch keine aus Großbritannien ausgelieferte Person in einem US-Gefängnis das Leben genommen, argumentierte die Klägerseite am Vortag zynisch. Dafür sei die britische Justiz da; sie schütze Zivilisten vor einer Auslieferung und diesen Umständen, hielt die Verteidigung entgegen.

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Rebecca Vincent von Reporter ohne Grenzen, Partnerin Stella Moris und Wikileaks-Chef Kristinn Hrafnsson nach der Anhörung am Donnerstag.
Foto: Frank Augstein

Wochenlanges Warten

Assange ist der erste journalistisch Tätige, dem unter dem Spionageakt der Prozess gemacht werden soll. Ihm drohen bei einer Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft. Konkret vorgeworfen wird ihm, mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material über US-Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan gestohlen und mit seinen Veröffentlichungen US-Informanten gefährdet zu haben. Assange weist die Darstellung zurück: Er habe Inhalte, etwa Indizien über mutmaßliche US-Kriegsverbrechen, lediglich im Sinne der Pressefreiheit veröffentlicht. Die Anklage zieht in Zweifel, dass Assange als Journalist tätig gewesen sei.

Assange war am Vortag zuerst entschuldigt, danach via Video in den Gerichtssaal geschaltet worden. Dass die physische Abwesenheit etwas mit seinem Gesundheitszustand zu tun habe, wies seine Lebensgefährtin, Stella Moris, am Mittwochabend zurück. Er wollte bei der Anhörung vor Ort sein, der Zutritt sei ihm aber verwehrt worden. Bis die Berufungsrichter zu einem Urteil kommen, könnten noch Wochen verstreichen. Egal wie dieses ausfällt, die Verliererseite dürfte allem Anschein nach auch dieses wieder anfechten – diesmal beim Obersten Gerichtshof. (red, etom, 28.10.2021)