Catania musste zuletzt Dramatisches durchmachen: Heftige Unwetter verwandelten die elegante Via Etnea im Zentrum der ostsizilianischen Hafenstadt in einen reißenden Fluss, und auf der barocken Piazza del Duomo stand das Wasser einen Meter hoch. Zahlreiche Geschäfte wurden überflutet, Straßen wurden unpassierbar.

Schon seit Tagen hat Catania mit den Auswirkungen heftiger Unwetter zu kämpfen.
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Der Bürgermeister von Catania, Salvo Pogliese, verfügte die Schließung aller Geschäfte und forderte die Bevölkerung auf, zu Hause zu bleiben. Auch alle Schulen und die Universität bleiben bis auf weiteres geschlossen. Opferbilanz bisher: zwei Tote, eine Vermisste.

Schon zu Wochenbeginn fiel in der Stadt am Fuße des Ätna innerhalb weniger Stunden die Hälfte jener Regenmenge, die sonst in einem ganzen Jahr vom Himmel fällt.

"Mit noch größerer Wucht"

Am Mittwoch legte das Unwetter zwar eine kurze Pause ein – doch das Schlimmste könnte noch vor dem Wochenende bevorstehen, warnte Zivilschutzchef Fabrizio Curcio: "Unsere Berechnungen sagen voraus, dass der Sturm zurückkehren wird, mit noch größerer Wucht. Es erwarten uns schwierige Stunden."

Tatsächlich warnen die Meteorologen seit Tagen davor, dass sich das nahezu stationäre Tief über Süditalien, das für die derzeitigen Unwetter über Sizilien und Kalabrien verantwortlich ist, zu einem "Medicane" entwickeln könnte: zu einem mediterranen Wirbelsturm.

Ein Medicane (das Wort setzt sich aus "mediterranean" und "hurricane" zusammen) ist typischerweise zwar kleiner als ein tropischer Hurrikan, aber ähnlich gefährlich: Neben erneuten sintflutartigen Regenfällen, Überschwemmungen und Erdrutschen drohen nun Sturmböen von bis zu 180 Stundenkilometern. Bisher wurden bei den Unwettern dieser Woche Windspitzen von "nur" 119 km/h gemessen – doch für Freitag wurde Alarmstufe Rot ausgerufen: höchste Alarmbereitschaft für den Zivilschutz.

Die Meteorologen sind sich weitgehend einig, dass die Wetterextreme, wie sie derzeit in Sizilien zu beobachten sind, zu einem erheblichen Teil durch den Klimawandel mitverursacht werden.

"Klima-Hotspot"

Mehr noch, das Mittelmeer sei regelrecht zu einem "Klimahotspot" geworden, betonen Experten wie der Klimaphysiker Salvatore Pascale von der Universität Bologna, ein Spezialist für das Phänomen der Medicanes. Der Sommer 2021 in Süditalien sei viel zu heiß und trocken gewesen. In Catania wurden im Juli 48,8 Grad Celsius registriert, die höchste je in Europa gemessene Temperatur. "Der zu heiße Sommer hat im Mittelmeer zu einer stark erhöhten Oberflächenwassertemperatur geführt – und dies wiederum bedeutet, dass mehr Wasser in die Atmosphäre verdampfte, das sich dann in immer intensiveren Unwettern entlädt", erklärt Pascale.

Süditalien ist natürlich nicht die einzige Region mit gehäuften extremen Wetterlagen: Das Phänomen lässt sich im ganzen Mittelmeerraum beobachten. In Italien hatten sich etwa Anfang Oktober wahre Sturzfluten über die Regionen Piemont und Ligurien ergossen. Einen schon fast unglaublichen Rekord registrierte dabei Rossiglione in der Nähe von Genua: In dem Ort fielen innerhalb von nur 24 Stunden 848 Liter Regen pro Quadratmeter.

Auch beim Brückeneinsturz in Genua 2019 hatte das Wetter verrückt gespielt: In den 36 Stunden vor und nach der Tragödie mit 43 Toten war regional die halbe Regenjahresmenge gefallen. Das immense Gewicht des Wassers auf der Fahrbahn galt als unmittelbarer Auslöser des Einsturzes des maroden Viadukts.

Warnung zum Klimagipfel

Die Bildung eines Medicanes über Sizilien und Kalabrien ist kein neues Phänomen: Bereits 2020 hatten der Wirbelsturm Udine und ein weiteres Sturmtief unter anderem auf der griechischen Insel Kefalonia schwere Verwüstungen angerichtet und Todesopfer gefordert.

Unmittelbar vor dem Beginn der Klimakonferenz in Glasgow fordert der Klimaphysiker Pascale deshalb zum Handeln auf: "Die Wettervorhersagen für Catania für die kommenden Tage mögen schlimm sein – aber geradezu dramatisch wären die Prognosen für die nächsten Jahrzehnte, wenn sich die Atmosphäre um mehr als zwei Grad erwärmen würde." (Dominik Straub aus Rom, 28.10.2021)