Wien – Max und Teodor sind zugegebenermaßen nicht die schnellsten Mitarbeiter der heimischen Polizei. Millimeterweise zieht der eine den Reißverschluss des Rucksacks auf, den der andere fixiert. Mit seiner Kralle. Denn die beiden sind keine Beamten, sondern Roboter, genauer "Fernlenkmanipulatoren", die dem bei der Sondereinheit Cobra ressortierenden Entschärfungsdienst der Exekutive angehören.

Auch nachdem der Attentäter vom 2. November in der Wiener Innenstadt von Beamten erschossen worden war, kamen die beiden Maschinen zum Einsatz. Denn der 20-Jährige hatte um Oberkörper und Hüften scheinbar Sprenggürtel geschlungen – Attrappen, wie sich später herausstellte. Vor dem Jahrestag des Anschlags nutzte das Innenministerium die Gelegenheit, in der Wiener Rossauer Kaserne die Arbeit jener Einheiten zu präsentieren, die sonst weniger im Licht der Öffentlichkeit stehen.

Ein menschlicher und ein mechanischer Entschärfer kooperieren bei einer Pressevorführung im Hof der Rossauer Kaserne.
Foto: APA / Herbert Neubauer

Die beiden aus Deutschland stammenden Entschärfungsroboter arbeiten nicht autonom, sondern werden von Beamten der drei Entschärfungsdienststandorte in Wien, Graz und Hall in Tirol in einem Polizeibus via Computer ferngesteuert. So auch in der Terrornacht an der Leiche des Todesschützen, obgleich sich der Einsatz damals etwas verzögerte – die verwinkelten Innenstadtgassen waren auch Evakuierungsrouten, sodass das Team zunächst nicht zufahren konnte.

Als es dann zum Einsatz kam, wurde nicht nur die Sprenggürtelattrappe als harmlos identifiziert, wie der Kommandant des Dienstes, der nicht genannt werden will, erklärt. Die Maschinen sind auch mit Kameras ausgestattet, sodass am 2. November Bilder des toten K. F. aufgenommen wurden, mittels deren zwei Stunden später seine Identität festgestellt werden konnte.

70.000 Euro kostet der 3D-Laserscanner des Bundeskriminalamts, der auch nach dem Anschlag am 2. November die Tatorte detailliert aufnahm.
Foto: APA / Herbert Neubauer

Bei der Demonstration im Hof das Amtsgebäudes in Wien-Alsergrund haben Max, der eigentlich Telemax getauft wurde, und Teodor mittlerweile den Rucksack geöffnet und ausgeleert. Zwei Handgranaten waren darin, deren Zünder nun ferngesteuert demontiert werden.

Zu guter Letzt muss aber, wie auch am 2. November, ein Mensch eingreifen. Ein Polizist in einem 50 Kilogramm schweren Bombenschutzanzug stapft ungelenk heran, stellt sicher, dass die Sprengkörper entschärft sind, und richtet sich unter erheblicher Kraftanstrengung aus der Hocke wieder auf. Die Ausrüstung würde das Überleben bei der Detonation von maximal einem halben Kilo Sprengstoff sicherstellen, ein besserer Schutz ist nicht möglich. Die Arbeit ist daher potenziell lebensgefährlich – im Juli 2003 starben zwei Beamte bei der Entschärfung einer 250-Kilogramm-Fliegerbombe in Salzburg-Schallmoos, ein dritter wurde lebensgefährlich verletzt und erblindete.

Eine Tatortermittlerin in Schutzanzug demonstriert mit einer Puppe ihre Arbeit.
Foto: APA / Herbert Neubauer

Wenn klar ist, dass keine Gefahr mehr herrscht, beginnt die Arbeit der Tatortgruppe. Die just einen Tag vor dem Anschlag technisch aufgerüstet wurde. Am 1. November bekam das Bundeskriminalamt als erste Polizeibehörde in Österreich einen 70.000-Euro-3D-Laserscanner, der 48 Stunden später bereits in der Wiener Innenstadt eingesetzt werden musste.

"Begehbares" Tatortbild

Das Gerät kann bis zu zwei Millionen Messpunkte pro Sekunde erfassen. In einem zweiten Schritt werden Panoramaaufnahmen erstellt, die mit dem Scan vermengt werden, um ein "begehbares" Bild des Tatorts zu schaffen. Nur zwei Bundeskriminalamtsmitarbeiter sind derzeit in der Lage, die Software fachgerecht zu bedienen, deren Endprodukt auf einem Datenträger Ermittlern oder der Justiz zur Verfügung gestellt werden kann.

Nach knapp eineinhalb Minuten kann der Scanner, der bis zu 130 Meter weit reicht, wieder abgebaut werden, und Männer und Frauen in weißen Schutzanzügen betreten die Szene. Sie sind die aus Film und Fernsehen bekannte Tatortgruppe, die gelbe Tafeln mit Nummern bei Spuren aufstellt, die Beweismittel fotografiert und schließlich sicherstellt. Ohne weitere technische Hilfe. (Michael Möseneder, 28.10.2021)