Frida Kahlos Selbstporträt "Diego y yo" (1949) soll 30 bis 50 Millionen Dollar erzielen.

Foto: Sotheby's

Wenigstens 30 oder sogar 50 Millionen Dollar soll ein Selbstporträt Frida Kahlos am Abend des 16. November bei Sotheby’s in New York einspielen. Ein weltweit gültiger Auktionsrekord für die mexikanische Künstlerin ist somit schon vorab programmiert. Geschuldet ist diese Prognose nicht nur dem globalen Kultstatus der Künstlerin, sondern vor allem auch der überschaubaren Verfügbarkeit ihrer Werke auf dem freien Markt.

Seit 1984 gelten sie in Mexiko als nationales Kulturgut und dürfen das Land allenfalls zu Ausstellungszwecken verlassen. Nur jene, die vor diesem Zeitpunkt exportiert wurden, sind demnach gegenwärtig weltweit handelbar.

Identifikationsfigur

Die 1954 im Alter von 47 Jahren verstorbene Mexikanerin gilt als wichtigste Malerin Lateinamerikas und avancierte seit den 1970er-Jahren zu einer Identifikationsfigur des Kampfes für die Rechte der Frauen. Dazu trug vor allem ihr von Schicksalsschlägen, Krankheit und leidenschaftlichem Patriotismus geprägtes Leben bei, das Gegenstand zahlreicher Publikationen und Dokumentationen war. Die oscarprämierte Verfilmung mit Selma Hayek in der Hauptrolle (2002) machte Frida Kahlo einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

Ihre Biografie ist – auch aufgrund der hohen Anzahl an Selbstporträts mit 55 von insgesamt 144 dokumentierten Arbeiten – so eng mit ihrem Schaffen verknüpft, dass die spezifischen Stereotype den Blick auf ihre Kunst bisweilen zu verstellen drohen. Die Stilisierung zu einer tapferen Schmerzensfrau, ja einer Heiligen, die körperlichen und seelischen Leiden trotze, befeuerte sowohl sie selbst als auch Generationen von Kuratoren im Windschatten einer nahezu gnadenlos betriebenen Vermarktung.

Markenrechtsstreit

Dazu war 2004 mit der in Panama niedergelassenen Frida Kahlo Corporation (FKC) ein Unternehmen gegründet worden, an dem auch Kahlos Großnichte beteiligt ist. Dabei geht es um Lizenzen für allerlei Produkte, die unter der Marke Frida Kahlo vertrieben werden: vom Sportschuh bis hin zu Tequila, sogar der Spruch "Leidenschaft für das Leben" ("Pasión por la vida") wurde markenrechtlich geschützt.

Seit 2018 bekämpfen sich die beiden Fraktionen jedoch vor Gericht. Der ursprüngliche Anlass: die von Matell produzierte Frida-Barbie, an deren Aussehen die Großnichte mangels Authentizität Anstoß nahm und darüber hinaus eine Markenrechtsverletzung ortete. In Mexiko erwirkte sie eine einstweilige Verfügung, die den Verkauf der Puppe vorerst stoppte.

Tatsächlich war das Barbie-Modell in Abstimmung mit der FKC produziert worden, die sodann in den USA juristisch gegen die Großnichte vorging – auch weil diese ihrerseits ein konkurrierendes Business betrieb. Erst Ende September wies ein Gericht in Florida die Klage endgültig ab und verwies auf die Zuständigkeit mexikanischer oder panamaischer Gerichte.

Schmerzensmadonna

Abseits dieses Disputs ist Frida Kahlo auf dem Kunstmarkt eine Marke für sich. Sie war die erste Künstlerin Lateinamerikas, von der ein Werk bei einer Auktion außerhalb ihres Heimatlandes erstmals die Ein-Million-Dollar-Marke überschritt: 1990 bei Sotheby’s in New York, als ihr Selbstporträt Diego y yo ("Diego und ich") 1,4 Millionen Dollar erzielte, ebenjenes 1949 gemalte, das nun – nach einigen weiteren Besitzerwechseln – neuerlich zur Versteigerung kommt. In einer Ausstellung gab es in Europa zuletzt 1993 in der Frankfurter Schirn-Kunsthalle ein Gastspiel.

Das vorläufige Weltrekordbild: "Dos desnudos en el bosque (La tierra misma)", 1939 von Frida Kahlo gemalt, erzielte bei Christie’s in New York 2016 etwas mehr als acht Millionen Dollar bzw. umgerechnet sieben Millionen Euro (inkl. Aufgeld).
Foto: Christie's

Das mit rund 29 mal 22 Zentimetern eher klein bemessene Format nimmt engen Bezug zu Kahlos Biografie: Über ihren markanten Augenbrauen "sitzt" ein kleines Porträt Diego Riveras, ihres 20 Jahre älteren Ehemannes, der sie damals mit María Félix, einer engen Freundin Fridas, betrog. Auf dessen Stirn scheint ein drittes Auge auf, mit dem Kahlo auf das Ausmaß verwies, mit dem ihr Mann, der zu den bedeutendsten Malern der Moderne Mexikos zählte, ihr Bewusstsein besetzte. Ihr offenes Haar, das auf anderen Selbstporträts oft zu einem Zopf gebunden oder aufgesteckt ist, scheint sie förmlich zu strangulieren. Die aus ihren Augen fließenden Tränen erinnern an die Madonna der Schmerzen, eine ikonische Darstellung der westlichen Kunstgeschichte.

Dieses Selbstporträt ist eines von insgesamt elf, die sich in Privatbesitz außerhalb Mexikos befinden. Eine Verknappung, die sich in der Marktbewertung spiegelt. Erst jüngst soll über einen von Christie’s vermittelten Privatverkauf Kahlos Selbstporträt mit Papageien (1941) für 130 Millionen Dollar in den Besitz eines asiatischen Sammlers gewechselt sein. (Olga Kronsteiner, 30.10.2021)