Was ist die Motivation für eine internationale Karriere? Drei Menschen erzählen, wieso sie Österreich verlassen.

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Sie verlassen Österreich, weil sie im Ausland Berufserfahrung sammeln wollen, die Traumstelle gefunden haben oder die Partnerin einen Job bekommen hat. Andere, sogenannte Expats, werden von ihren Firmen in die Zweigstelle im Nachbarland geschickt.

Auch wenn die Corona-Pandemie Reisen erschwert und die Zukunftsplanung deutlich unsicherer gemacht hat, hat sie die Entscheidung, ein Jobangebot im Ausland anzunehmen, kaum beeinflusst. Auch aktuelle Aufenthalte wurden nur selten abgebrochen, gab die Mehrheit der 12.000 Befragten der Expat-Insider-Studie 2021 an. Nur jeder zehnte Expat sagte, dass er wegen Corona früher als geplant zurückkehren wollten oder bereits wieder zu Hause ist. Mit den neuen Arbeitsformen in der Pandemie haben sich aber auch die Möglichkeiten, international zu arbeiten, vergrößert. Mittlerweile ist es gar nicht mehr so abwegig, wenn ein Kollege aus Wien für ein Unternehmen in den USA arbeitet.

Doch wen zieht es eigentlich ins Ausland? Die aktuelle Datenlage zum sogenannten Braindrain ist relativ dünn. Klar ist: Je höher der Bildungsgrad, desto eher verlassen Menschen das Land. Wir haben bei drei Hochschulabsolventen nachgefragt, wieso sie für die Karriere umziehen.

"Berlin bietet für uns beide gute Möglichkeiten"

Tobias Heidenreich (32) hat im September sein Doktoratsstudium der Sozialwissenschaften an der Universität Wien abgeschlossen.
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Katharina Wössner (27) hat Internationale Betriebswirtschaft in Wien studiert und vor allem im Bereich Projektmanagement gearbeitet.
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Im Sommer wurden die Pläne, gemeinsam Wien zu verlassen, für Katharina Wössner und Tobias Heidenreich konkreter. "Durch meine Arbeit in der Forschung stand für mich schon länger fest, dass ich mich früher oder später nach einer neuen Stelle umsehen muss", sagt der 32-Jährige. Bereits vor seiner Promotion an der Universität Wien im September suchte er nach passenden Jobs außerhalb von Österreich. "Ich war auf jeden Fall offen dafür, noch einmal in die USA zu gehen oder auch in ein Land, in dem wir beide noch nie gelebt haben", sagt seine Partnerin. "Gemeinsam fällt es auch leichter, als alleine in einer anderen Stadt noch mal neu anzufangen. Außerhalb der EU kommt aber die Schwierigkeit hinzu, für beide ein Visum zu bekommen."

Entschieden hat sich das junge Paar schlussendlich für die deutsche Bundeshauptstadt. "Berlin bietet für uns ein gutes Gesamtpaket aus einer spannenden Großstadt und Jobperspektiven. Außerdem haben wir beide schon Freunde, die hier leben", sagt Heidenreich. Seit Oktober arbeitet er am Wissenschaftszentrum Berlin, Wössner sucht derzeit noch nach einer passenden Stelle. Aktuell habe sie sich schon auf ein paar Jobs beworben, warte aber derzeit noch auf Rückmeldungen. Die 27-Jährige hat im Vorjahr ihr Masterstudium in Internationaler Betriebswirtschaft in Wien abgeschlossen und vor allem im Bereich Projektmanagement gearbeitet. Wie sehr sich die Folgen der Pandemie noch am Arbeitsmarkt in Berlin bemerkbar machen, kann sie nicht sagen: "Ich habe aber auch gar keinen Vergleich zu der Zeit vor Corona. Das erste Mal nach einem Vollzeitjob habe ich bereits während der Pandemie gesucht."

Für eine Karriere in der Forschung habe sich Heidenreich erst während seiner Masterarbeit entschieden. "Da habe ich gemerkt, dass mir das wissenschaftliche Arbeiten viel Freude macht, und im Anschluss direkt das Doktoratsstudium der Sozialwissenschaften drangehängt", sagt er. Generell ist er aber etwas zwiegespalten im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen in seiner Branche: "Einerseits hat es schon seine Berechtigung, zu sagen, dass Forschung den Anspruch hat, viele Perspektiven zu beleuchten, und dafür lohnt es sich, an mehr als einem Ort zu leben und zu arbeiten. Meiner Meinung nach sollte es aber keine Voraussetzung sein, um Forschung betreiben zu können."

Denn er habe auch einige Leute in seinem Umfeld, die einen Umzug für den Job weniger gerne in Kauf nehmen wollen. "Wenn man an einem Ort bleiben möchte, zum Beispiel wegen einer Partnerschaft oder für die Familienplanung, ist es natürlich schwer, überhaupt in diesem Bereich zu arbeiten", sagt er. Zwar seien vor allem in Hinblick auf befristete Verträge im universitären Bereich sowohl in Österreich als auch in Deutschland Änderungen geplant, wie sich solche Gesetzesänderungen auf seine berufliche Zukunft auswirken, sei jedoch noch offen. Eines steht für beide aber fest: "Wir sehen den Umzug nach Berlin als große Chance, persönlich und fachlich noch mal neue Perspektiven zu gewinnen."

"Ins Ausland zu gehen ist wichtig für meine weitere Arbeit"

Paul Gröger (24) hat Multimedia Art an der FH Salzburg studiert und zieht bald nach London.
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Bereits während des Studiums der Multimedia Art an der FH Salzburg stand für Paul Gröger fest, dass er künftig im Ausland arbeiten möchte. Große Namen und Agenturen im Bereich Motion Design habe er vor allem außerhalb von Österreich wahrgenommen. "Da wusste ich: Wenn ich richtig gut werden möchte, dann muss ich auch dorthin", sagt der 24-Jährige.

Sein Pflichtpraktikum absolviert er im vergangenen Jahr bei einem Animationsstudio in München, nach dem Abschluss seines Bachelorstudiums im Juli bewirbt er sich bei Firmen in Kanada, London und Berlin. Seit Oktober ist er als Praktikant für das Kreativstudio Man vs Machine mit Standorten in London und Los Angeles tätig. "Aktuell arbeite ich remote aus Wien. Ich kann mir meine Arbeitszeit flexibel einteilen und vieles ausprobieren", erzählt Gröger über seinen Arbeitsalltag. Im Dezember geht sein Praktikum in eine feste Anstellung über, und dann möchte er für einige Zeit in London leben.

Den Umzug plant er für Januar oder Februar 2022. "Derzeit ist es durch Corona und Brexit gar nicht so einfach. Bis vor kurzem hätte ich als EU-Bürger einfach eine Arbeitserlaubnis gehabt. Jetzt muss ich warten, bis mein Visum genehmigt wird, das gilt dann erstmal für zwei Jahre", sagt er. Auch einige seiner Studienkolleginnen und -kollegen wollten ursprünglich ins Ausland, hätten sich aufgrund der Unsicherheit aber dazu entschieden weiterzustudieren oder vorerst in Österreich zu bleiben.

Dass man für die Karriere wirklich auswandern muss, denkt der junge Designer zwar nicht. Gerade seit der Pandemie sei Remote Work noch verbreiteter und vor allem in seiner Branche schon zuvor als Freelancer nicht unüblich gewesen. "Ich will diesen Schritt aber auf jeden Fall machen. Einerseits, um aus meinem gewohnten Umfeld rauszukommen, und andererseits, um vor Ort auch wirklich eine Verbindung zu den Leuten aufzubauen", sagt der 24-Jährige. Denn gerade das Ankommen im neuen Job falle ihm durch den Start von zu Hause schwerer.

Sein Ziel ist es, nach einigen Karrierestationen im Ausland mit der gesammelten Erfahrung und einem großen Netzwerk nach Wien zurückzukehren oder sich zumindest auf einen Ort festzulegen. Denn es sei schwierig, hierzulande so international zu arbeiten wie in anderen Metropolen: "Dabei geht es mir nicht nur um die Kunden, für die ich Projekte umsetze, sondern auch um die Menschen, mit denen ich zusammenarbeite. Für bekannte Studios arbeiten Designer aus aller Welt." (Anika Dang, 29.10.2021)