
Sein Name wird im U-Ausschuss wohl öfter fallen: Altkanzler Sebastian Kurz, jetzt VP-Klubobmann.
Der Untersuchungsgegenstand für den neuen Ausschuss ist ausformuliert. Die Grünen haben auch bereits angekündigt, ihn zu akzeptieren – ein monatelanges Ringen unter Einbeziehung des Verfassungsgerichtshofs wie beim Ibiza-Ausschuss ist damit wohl vom Tisch. Die Themen im Überblick:
Inserate- und Umfragekorruption: Die "Österreich"-Affäre und ein Blick auf andere Medien
Es war die Causa prima der vergangenen Wochen: Die Brüder Fellner sollen das Finanzministerium mit positiver Berichterstattung über Sebastian Kurz bestochen haben, um im Gegenzug eine Inserate- und Medienkooperation zu erhalten. Das wurde, so der Vorwurf der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, mit Umfragen kombiniert, die vom Finanzministerium bezahlt und in "Österreich"-Medien platziert wurden. Sebastian Kurz, der hier der Anstiftung beschuldigt wird, kosteten die Ermittlungen das Kanzleramt; seine engsten Vertrauten mussten ebenfalls gehen, die beschuldigte Meinungsforscherin Sabine B. ist offenbar geständig. Der U-Ausschuss wird die aktuellen Ermittlungsakten in diesem Fall prüfen, gleichzeitig aber über den aktuellen Fall hinausgehen wollen. Hauptfrage wird sein, welche Deals mit anderen Medien abgeschlossen worden sind.
Ermittlungen: Justizinterne Konflikte und Interventionen von außen
Im Ibiza-Untersuchungsausschuss nahmen die Probleme zwischen Oberstaatsanwaltschaft Wien und WKStA viel Raum ein. Die Korruptionsermittler fühlten sich in ihrer Arbeit gegängelt und blockiert; wie besonders die Aussage der früheren Staatsanwältin Christine Jilek zeigte, die nun beim Antikorruptionsvolksbegehren engagiert ist. Inzwischen wurde die Fachaufsicht verändert. Allerdings befürchtet die Opposition, dass in der Vergangenheit eine Reihe von Ermittlungen zugunsten ÖVP-naher Personen manipuliert wurden. Deshalb sollen Verfahren mit prominenten Beschuldigten neu geprüft werden. Besonderes Interesse haben die Abgeordneten am Smartphone des Sektionschefs Christian Pilnacek.
Personalauswahl: Wie wurden Ministerien umgefärbt und ehemalige Politiker "versorgt"?
In Chatnachrichten, die von der WKStA ausgewertet wurden, sind immer wieder Interventionsversuche ablesbar: Da kommunizierten der heutige Finanzminister Gernot Blümel und der frühere Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, etwa über einen Job für den Wiener ÖVP-Politiker Manfred Jurazcka; es beschäftigten sich mehrere hochrangige Parteimitglieder mit einer Stelle für eine einstige Abgeordnete. Auch von außen gab es solche Wünsche; der damalige Novomatic-Chef Harald Neumann wollte via Blümel seine aktuelle Freundin "in einem Kabinett" unterbringen lassen. Der U-Ausschuss will sich deshalb genau ansehen, welche Positionen warum mit wem besetzt wurden.
Quid pro quo: Welche Vorteile erhielten ÖVP-Spender und Kurz-Berater durch die Regierung?
Das erste Korruptionsurteil nach dem Ibiza-Video wurde bereits gefällt: Nicht rechtskräftig wurde der einstige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache der Bestechung schuldig gesprochen. Dabei ging es um Aktivitäten zugunsten eines Spenders. Der U-Ausschuss will prüfen, ob solche Vorgänge auch bei der ÖVP zu beweisen sind. Dabei geht es nicht nur um Glücksspielgesetze, sondern auch um das Agieren von staatlichen Unternehmen wie der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) und ihrer Firmentochter ARE. Großes Interesse haben die Abgeordneten an Deals mit René Benko, es soll "insbesondere die Hintergründe des 99-jährigen Mietvertrags mit der BIG für das Gebäude der Postsparkasse" beleuchtet werden.
Steuergeld für Parteizwecke: Missbrauchten türkise Minister ihre Behörden für die Partei?
Immer wieder sorgen Auftragsvergaben und Förderungen aus türkisen Ministerien für Aufregung – zum Beispiel das "Familienfest" am 1. Mai 2019, das 300.000 Euro kostete und bei dem nur ÖVP-Minister auftraten. Kritiker sahen eine mit Steuergeld finanzierte Gegenveranstaltung zum Mai-Aufmarsch der SPÖ. Für die Neos war das damals ein "Paradebeispiel für verdeckte Parteienfinanzierung". Die Opposition vermutet auch ein anderes System: Türkise Ministerien sollen Aufträge an Werbeagenturen vergeben – womöglich zu einem Überpreis; diese Agenturen dann weniger für Leistungen an die ÖVP verrechnen. Im U-Ausschuss-Verlangen ist davon die Rede, dass "allfällige Mängel in der Dokumentation der Leistungserbringung" und "Umgehungskonstruktionen" untersucht werden sollen. (Fabian Schmid, 30.10.2021)