Bis Ende des Jahres sollen in China 18 neue Kohlekraftwerke ans Netz gehen.

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Eine Milliarde Tonnen Kohle – so viel produzierte allein die chinesische Provinz Shanxi im vergangenen Jahr. Seit Jahren wächst die Produktion um rund acht Prozent im Jahr. Allein die Provinz südwestlich von Peking produziert doppelt so viel Kohle wie die USA und Australien zusammen. Verheizt wird die Kohle in den über 1.100 Kraftwerken des Landes – die meisten davon in Shanxi und der angrenzenden Provinz Hebei unweit von Peking –, weshalb die Hauptstadt des Landes immer wieder von Smogkatastrophen heimgesucht wird.

Es fällt schwer, Pekings Klimapolitik nicht als Farce wahrzunehmen. Das Pariser Klimaschutzabkommen hat die Volksrepublik nie unterzeichnet. Peking ist außerdem der größte Konsument von Kohle. Aber bis 2060 wolle man eine Nettonull bei den CO2-Emissionen schaffen. Diese Woche nun hat der Staatsrat, so etwas wie das chinesische Kabinett, einen Aktionsplan verkündet. Demnach soll der CO2-Ausstoß bis 2030 seinen Gipfel erreicht haben. 25 Prozent des Verbrauchs sollen dann aus nichtfossilen Energieträgern kommen. Außerdem sollen – jetzt wird es etwas kompliziert – die CO2-Emissionen pro erwirtschaftete BIP-Einheit auf 65 Prozent des Jahres 2005 sinken. Man kann das positiv lesen. Tatsache ist aber auch: Bis 2030 werden die CO2-Emissionen in kaum einem anderen Land so stark steigen wie in China.

Schnell wachsende Wirtschaft

Der Grund ist simpel: Chinas Wirtschaft wächst so schnell wie kaum eine andere auf der Welt. Zwar waren es im vergangenen Quartal nur knapp unter fünf Prozent, aber auch das ist für westliche Verhältnisse gewaltig. Und fünf Prozent Wirtschaftswachstum bedeutet eben auch: mindestens fünf Prozent mehr Energieverbrauch.

Zwar gibt es auch nur wenige Länder, die derzeit mehr Geld in regenerative Energien investieren. In absoluten Zahlen aber wächst der CO2-Ausstoß. Und da das kommunistische Regime nichts mehr fürchtet als eine Rezession, weil diese zu Unzufriedenheit im Volk führt und damit potenziell gefährlich werden könnte, wird alles darangesetzt, das Wirtschaftswachstum hoch zu halten.

Erst im August hatte Peking angekündigt, noch bis Ende des Jahres 18 neue Kohlekraftwerke ans Netz zu bringen. Deren CO2-Ausstoß entspricht mit rund 150 Millionen Tonnen etwa dem der Niederlande. 48 weitere befinden sich demnach in Planung. Bis 2026 wolle man im Übrigen die Kohlenutzung nicht reduzieren. Im Gegenteil: Derzeit hat das Land mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Der Winter hat noch gar nicht bekommen, da wird Strom- und Heizkraft bereits rationiert. Zahlreiche Fabriken im Land müssen derzeit mit weniger Energie auskommen. Wie stark die Einschränkungen sind, hängt von der jeweiligen Provinz ab.

Hoher Kohlepreis

Der Grund sind gestiegene Kohlepreise und ein überregulierter Markt. Weil die australische Regierung eine unabhängige Kommission zur Untersuchung des Ursprungs des Coronavirus gefordert hatte, hatte Peking monatelang australische Kohleimporte gestoppt. In der Folge stiegen die Kohlepreise. Hinzu kamen Überflutungen in der Provinz Shanxi und die vorübergehende Stilllegung einiger Minen. Da der Strompreis aber staatlich gedeckelt ist, konnten es sich viele Kohlekraftwerke nicht mehr leisten, weiter zu produzieren. In der Folge kam es im ganzen Land zu Energieengpässen, und so hat Peking die landesweite Kohleproduktion nach oben gefahren. In den kommenden Monaten sollen bereits stillgelegte Minen reaktiviert werden. Allein deren Ausstoß ist so hoch wie der aller aktiven Kohlebergwerke in ganz Westeuropa. Die chinesischen Bürger müssen sich auf einen versmogten Winter einstellen. (Philipp Mattheis aus Schanghai, 30.10.2021)