In "Growing Sideways" zeigen Brigitte Wilfing und Jorge Sánchez-Chiong ihre Ideen zu Musiktheater, Choreografie und neue Medien.

Foto: David Panzl

Der Name "Wien Modern" war das Symbol einer Nachholaktion. Von Dirigent Claudio Abbado gegründet, sollte das Festival eine Stadt, welche die Innovation des halben 20. Jahrhunderts verpennt hatte, in den Wachzustand versetzen, damit sie nacherlebt, was Nono, Boulez, Stockhausen, Ligeti und die anderen Könner so schufen. Nun, seit der Gründung 1988, sind alle zentralen Werke vorgestellt worden. Welchen Sinn erfüllt da noch das Wort "modern"?

"Umgangssprachlich ist der Begriff das ewige Gegenstück zu ,altmodisch‘", sagt der künstlerische Leiter Bernhard Günther. "Auf jeden Fall hat ein Festival mit diesem Namen die verdammte Pflicht, sich nicht altmodisch und uncool anzufühlen und sich oft genug neu zu erfinden." Das hat 2021 auch mit der Pandemie und der Reduktion sozialer Erlebnisräume zu tun. So lautet die Aufforderung per Motto "Mach doch einfach, was du willst!"

Irritierende Pause

Es sei an der Zeit, so Günther, mehr auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu achten. "Das gemeinsame Hören von Musik abseits des Mainstreams und die Gespräche danach bei einem Glas experimentierfreudigen Festivalweins" seien nach einer irritierenden Pause wieder möglich. "Den Umstieg von Vereinsamung und Kontrollverlust ins gemeinsame Erleben" feiere man mit inspirierenden Charakterköpfen. Günther nennt etwa Ingrid Schmoliners "Liegelandschaft in den Kasematten unter dem Palais Coburg" oder "das begehbare Klangbad von Georg Friedrich Haas im Kunsthistorischen Museum".

Auch Musiktheater dabei

Da ist auch "Opernhaftes": Elisabeth Schimana und Netzzeit zeigen das Cyberpunk-Musiktheater Fugen, Volkmar Klien seine "zerstörbare Papierinstallation". Und Brigitte Wilfing und Jorge Sánchez-Chiong üben choreografische Fortschrittskritik bei "Growing Sideways", während Musiktheaterminiaturen zum "Stand der Dinge" im Muk-Theater zu erleben sind.

Das klingt natürlich angesichts der Infektionszahlen recht optimistisch, Günther aber verweist auf Erfahrungen: "Wir haben 2020 auf die harte Tour gelernt, auf oft und schnell geänderte Vorschriften zu reagieren, und haben diesmal im Vorfeld viel dafür getan, damit sich der Festivalbesuch angenehm und sicher anfühlt."

Konkret: Die Säle würden im Zweifelsfall eine Nummer größer gewählt, "damit ein Sprung wie im letzten Jahr von geplant 180 auf plötzlich nur mehr 25 Plätze ausgeschlossen werden kann." Nur eins habe man diesmal nicht wieder im Plan: "Streaming gibt es fast nirgends, live ist nicht ersetzbar", so Günther.

Nichts wie hin also etwa zur neuen Oper Poppea ins Odeon oder in die Albertina, wo Malerstar Georg Baselitz ein Subfestival mitkuratiert. Der Maler als Ohrenmensch also, der auch von Olga Neuwirth mit einem Stück bedacht wird. (Ljubisa Tosic,29.10.2021)