Sie fühlt sich eng mit der lokalen Tanzszene verbunden: Bettina Kogler setzt aber auch auf internationale Impulse.
Foto: Katarina Šoškic

Die aktuelle Saison steht im Zeichen eines Jubiläums: Im Oktober vor 20 Jahren wurde das Tanzquartier Wien (TQW) als internationales Koproduktionshaus eröffnet. Seit 2018 wird es von der Kärntnerin Bettina Kogler geführt.

STANDARD: Vom Tanzquartier Wien gingen in den ersten Jahren nach seiner Gründung viele Impulse aus. Warum ist das heute kaum mehr der Fall?

Kogler: Ich sehe das anders. Historisch betrachtet brachte die Gründung des Tanzquartiers eine Internationalisierung und eine Professionalisierung der Tanzszene mit sich. Man fand sich plötzlich im Scheinwerferlicht wieder. Heute gehört das Tanzquartier zu unserem kulturellen Alltag. Natürlich gehen auch heute viele Impulse von diesem Haus aus.

STANDARD: Welche konkret?

Kogler: Nehmen wir Künstlerinnen wie Doris Uhlich, Florentina Holzinger oder Amanda Piña. Sie werden international stark beachtet, Holzinger hatte ihre jüngste Uraufführung bei der Ruhrtriennale. Sie alle sind stark mit meinem persönlichen Werdegang verbunden.

STANDARD: Das Neue am TQW war, dass man hier internationale Entwicklungen präsentiert bekam, die man zuvor in Wien vermisst hatte.

Kogler: Das stimmt nicht ganz, Impulstanz hat immer schon internationales Programm nach Wien gebracht. Neu am Tanzquartier war die Verschränkung von Lokalem und Internationalem in einem Spielplan. Dass man hier Arbeiten in ihrer Entstehung koproduziert hat, war ein essenzieller, sehr mutiger Schritt. Auch wenn uns die Pandemie viele Möglichkeiten genommen hat: Die Durchmischung von Lokalem und Internationalem ist nach wie vor sehr wichtig.

STANDARD: Unter Ihrer Direktion hat sich der Schwerpunkt auf die lokale Szene verlagert.

Kogler: Der internationale Ansatz ist genauso da: Wir koproduzieren, wir sind im internationalen Diskurs wegweisend, wir sind in internationalen Netzwerken vertreten. Aber ich bin der lokalen Szene sehr verbunden.

STANDARD: Wichtig waren am TQW von Anfang an diskursive Programme. Zuletzt gab es ein Dreierkuratorium, jetzt übernimmt wieder eine einzelne Kuratorin. Was ist schiefgegangen?

Kogler: Nichts ist schiefgelaufen. Die neue Theoriekuratorin Anna Leon wird in Zukunft fix am Haus sein, sie wird aber mit Gastkuratorinnen arbeiten. Mir ist wichtig, dass die gesamte Bandbreite der Theorie abgedeckt ist. Diese ist mit dem gegenwärtigen choreografischen Geschehen eng verbunden, das soll sich am Haus widerspiegeln.

STANDARD: Neben dem Tanzquartier gibt es von Impulstanz bis zu den Festwochen eine ganze Reihe an Festivals, die auf Tanz setzen. Kannibalisiert man sich nicht gegenseitig?

Kogler: Der Tanz sollte es als Kompliment verstehen, wenn sich mittlerweile so viele Veranstalterinnen und Veranstalter für ihn interessieren. Auch das Mak und der Musikverein suchen unter ihren neuen Leitungen mit uns das Gespräch. Das bedeutet doch nichts anderes, als dass diese Kunstform am Puls der Zeit ist, freuen wir uns doch darüber!

STANDARD: Gleichzeitig buhlen diese Institutionen um ein ähnliches Publikum. Ist das sinnvoll?

Kogler: Wir hatten in den zwanzig Tagen seit Eröffnung der aktuellen Saison bereits über 2800 Besucherinnen und Besucher. Vor der Pandemie hatten wir eine Auslastung von 93 Prozent, jetzt 80 Prozent. Das ist angesichts des allgemeinen Besucherrückgangs durch die Pandemie beachtlich und zeigt, dass unsere klare Linie geschätzt wird.

STANDARD: Ihr Budget erhöht sich im kommenden Jahr um 250.000 Euro. Mit einem Teil des Geldes finanzieren Sie eine Nachwuchstruppe namens Parasol. Was hat das Publikum davon?

Kogler: Seit 2001 hat es nie eine Anhebung der Subvention von bisher 2,9 Millionen Euro gegeben, das bedeutet, das Tanzquartier ist heute aufgrund der Inflation viel schlechter finanziell dotiert als bei seiner Gründung. Unser Hauptinteresse ist, mit der Subventionserhöhung unter anderem auch fairere Gagen bezahlen zu können. Wir produzieren nicht mehr, sondern bezahlen die Künstlerinnen und Künstler gerechter. Das ist ein expliziter Wunsch von uns wie auch von der Kulturstadträtin. Natürlich wird es öffentliche Aufführungen von Parasol in unserem Haus geben.

STANDARD: Ein eigenes Ensemble klingt nach einem Richtungswechsel.

Kogler: Nein, Parasol wird ein Teil unseres vielfältigen Programms. Die fünf Tänzerinnen sind jeweils für ein Jahr am Haus, die zwei Choreografinnen wechseln zweimal im Jahr. Damit versuchen wir, auf die Situation zu reagieren, dass junge Tänzerinnen kaum mehr Teil einer Kompanie sind und dort Erfahrungen sammeln können.

STANDARD: Soll das Tanzquartier mittelfristig ein Haus mit eigenem Ensemble werden?

Kogler: Nein, das Tanzquartier soll kein Stadttheater werden. (lacht) (INTERVIEW: Stephan Hilpold, Helmut Ploebst, 30.10.2021)