Norbert Walter-Borjans (Mitte) möchte nicht mehr mit Saskia Esken die SPD führen. Kevin Kühnert (links neben "NoWaBo") hat Chancen auf die Nachfolge.

Foto: Imago/Leber

Einen Rückzug in derartiger Klarheit hätten sie sich bei der Union von Armin Laschet auch gewünscht. "Jetzt sollen mal Jüngere ran" – so kurz und knapp begründete am Freitag SPD-Chef Norbert Walter-Borjans, warum er sich am Parteitag im Dezember nicht mehr zur Wahl stellen wird.

Der 69-Jährige hat mit einigen seiner Vorgänger an der Parteispitze etwas gemeinsam: Lange währte die Amtszeit nicht.

"NoWaBo" war eigentlich schon in Pension, als er bei den Sozialdemokraten noch einmal gebraucht und von ihnen auch gerufen wurde. 2019 war die SPD wieder einmal in desolater Verfassung. Frustriert von innerparteilichen Ränkespielen hatte die damalige Parteichefin Andrea Nahles hingeworfen.

Man beschloss daraufhin in der Partei, nicht wieder im Hinterzimmer etwas auszuknobeln, sondern die Basis entscheiden zu lassen. Nach mehrmonatigem Casting standen die Sieger fest: eben Walter-Borjans, der ehemalige Finanzminister von Nordrhein-Westfalen (2010–2017), und die Abgeordnete Saskia Esken, beide vom linken Parteiflügel. Das Duo setzte sich gegen Finanzminister Olaf Scholz und die Brandenburger SPD-Politikerin Klara Geywitz durch.

Keine Karriereplanung

Scholz war damals so frustriert, dass über seinen Rückzug aus der Bundespolitik spekuliert wurde. Doch dann wurde er Kanzlerkandidat, gewann die Bundestagswahl, und nun führt er mit Grünen und FDP Verhandlungen über ein Ampelbündnis.

Es sind also die besten Zeiten seit langem für die SPD, und da fühlt sich Walter-Borjans nicht mehr so dringend benötigt. "Für mich war mit dem Vorsitz von vornherein keine weitere Karriereplanung verbunden, sondern das Ziel, die Partei auf Kurs zu bringen", erklärte er in der Rheinischen Post. Um ein Bundestagsmandat hatte er bei dieser Wahl gar nicht mehr gekämpft.

Scholz sagt Nein

Wenn sich die SPD also von 10. bis 12. Dezember zu ihrem Parteitag trifft, braucht sie mindestens einen neuen Chef oder eine neue Chefin. Infrage käme natürlich Wahlsieger Scholz. Der jedoch hatte schon während des Wahlkampfes abgewunken und soll nach wie vor nicht bereit sein.

Er wird als Bundeskanzler in einer neuen Ampelkoalition ohnehin alle Hände voll zu tun haben. Zudem wäre der 63-Jährige nicht unbedingt ein Signal der Erneuerung an der Parteispitze.

Chancen hat der frühere Juso-Chef Kevin Kühnert (32), der mittlerweile in den Bundestag eingezogen und auch SPD-Vizechef ist. "Seine" Jusos hatten sich 2019 sehr für die Wahl von Esken und Walter-Borjans starkgemacht, weil sie Scholz an der Parteispitze verhindern wollten.

Im Gespräch ist aber auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil (43), der die Partei gut kennt. SPD-Chefin Esken hatte im Sommer erklärt, sie wolle beim Parteitag noch einmal antreten. Sollte sie ihre Meinung ändern, braucht die SPD zwei neue Chefs.

Grüne Unvereinbarkeit

Einen Wechsel an der Parteispitze könnte es auch bei den deutschen Grünen geben – dann nämlich, wenn die derzeitigen Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck Ämter in der Ampelregierung übernehmen, was als sehr wahrscheinlich gilt.

Habeck möchte gerne Finanzminister werden, Baerbock könnte das Außenamt leiten. Natürlich sind beide auch Anwärter für das Klimaressort. Derzeit ist noch alles offen, doch Habeck hat schon einmal klargestellt: "So viel kann man sagen, als Minister oder als Ministerin Parteivorsitzende zu sein ist mit unserer Parteikultur nicht vereinbar."

Anders ist die Lage bei der FDP. Deren Chef, Christian Lindner, will in die Regierung. Dass er aber in diesem Fall den Parteivorsitz aufgibt, gilt als ausgeschlossen.

Merz für CDU?

Auf der Suche nach einem neuen Parteichef oder einer neuen Parteichefin ist nach wie vor die CDU. Laut einer Infratest-dimap-Umfrage für die ARD halten 23 Prozent der Befragten Friedrich Merz für den geeignetsten Kandidaten.

Dahinter folgen mit 19 Prozent der Außenpolitiker Norbert Röttgen und mit elf Prozent der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn. Merz scheiterte schon zweimal beim Kampf um den CDU-Vorsitz, Röttgen und Spahn je einmal. Am Wochenende beraten die CDU-Kreisvorsitzenden. (Birgit Baumann aus Berlin, 29.10.2021)