Nach dem Studium entschied sich Firmenmitgründer Georg Haas für ein Leben als Bestattungsunternehmer.

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Zwischen Särgen und Urnen gewährt Georg Haas Einblick in die Gedankenwelt eines Bestattungsunternehmers. Wann ihn das Thema Tod selbst belastet und wie er wieder abschaltet, erklärt der Mitgründer und Geschäftsführer der Wiener Bestattung Himmelblau ebenso wie seinen Plan, wie er mit der Firma weiterwachsen will. Nur über seine Erfahrungen mit dem mächtigen Marktführer Bestattung Wien berichtet er wenig – ein Thema, das Haas lieber ruhen lassen will.

STANDARD: Wir reagieren die Leute, wenn Sie sich als Bestatter vorstellen?

Haas: Gemischt. Manche reserviert, aber auch überrascht, weil sie sich eher einen älteren weißen Mann vorstellen. Viele sagen, cool, du bist der erste Bestatter, den ich kennenlerne, und stellen Fragen.

STANDARD: Was werden Sie gefragt?

Haas: Ob wir von der Corona-Pandemie profitiert haben. Das haben wir Gott sei Dank nicht. Es gab zwar im November und Dezember des Vorjahres eine Übersterblichkeit, davor war es für uns wie für die meisten Menschen mühsam. Wir mussten Urlaub abbauen, wir hatten die Fünf-Personen-Regel auf dem Friedhof und wenig Arbeit, weil viele mit den Feierlichkeiten abgewartet haben.

STANDARD: Sie sind systemrelevant. Es war aber sicher schwer für die Betroffenen mit allen Einschränkungen.

Haas: Aus meiner Sicht extrem, es gab große Verunsicherung: Wie viele Leute dürfen zu einer Beerdigung? Wir haben einen Streamingdienst eingerichtet, wo die Menschen von zu Hause live teilnehmen konnten. Jetzt wird das nicht mehr nachgefragt, die Leute kommen wieder persönlich.

STANDARD: Haben Sie Förderungen gebraucht, oder gab es Kurzarbeit?

Haas: Wir haben es nicht gebraucht. Es war eine harte Zeit, aber wir sind gut durchgekommen.

STANDARD: Was hat sich durch die Pandemie verändert?

Haas: Die Digitalisierung hat einen Schub bekommen. Wir hatten Homeoffice, was davor in einer Bestattung undenkbar war. Teilweise haben wir das noch, aber die beratungsintensiven Gespräche finden wieder vor Ort statt. Der persönliche Kontakt ist schon sehr wichtig.

STANDARD: Gibt es Mitbewerber, die komplett auf online setzen?

Haas: Ja. Aber es gibt auch welche, die wieder Filialen aufbauen.

STANDARD: Wie viele Anbieter gibt es in Wien?

Haas: Es gibt circa 20. Der größte Anbieter ist die Bestattung Wien mit schätzungsweise etwa 70 Prozent Marktanteil. Dann kommen schon wir mit etwa 2000 Bestattungsfällen pro Jahr und noch einige kleinere Firmen, die oft auf Überführungen oder Rückführungen spezialisiert sind. Unser Marktanteil liegt bei etwa 15 Prozent.

STANDARD: Der Markt wurde 2002 liberalisiert, Sie haben gemeinsam mit zwei Partnern das Unternehmen 2012 gegründet. War das nicht ein ungewöhnlicher Schritt, in jungen Jahren eine Bestattungsfirma zu gründen?

Haas: Wir kannten uns von der Uni und waren befreundet. Im Bekanntenkreis haben wir gesehen, dass Bestattung sehr beamtet ist, nach Schema F abläuft. Eine eher unpersönliche und nicht zeitgemäße Bestattung. Wir haben zum Leidwesen der Mitbewerber mit Kostenvoranschlägen begonnen. Für die Kunden war das gut und hat sich bewährt.

Jacob Homan und Georg Haas führen die Geschäfte von Bestattung Himmelblau.

STANDARD: Leicht hat es die Bestattung Wien den neuen Mitbewerbern nicht gemacht, wie man hört. Wie sind Ihre Erfahrungen?

Haas: Die Bestattung Wien hat einige Vorteile. Sie haben zum Beispiel ihre Bestattungslokalitäten in den Amtshäusern und holen sich die Sterbeurkunden. In vielen Pflegeheimen, wenn kein Bestatter angegeben ist, wird automatisch die Bestattung Wien gerufen. Und wir haben verdächtig oft Kontrollen, ob alle Preise ausgeschildert sind.

STANDARD: Sind Sie mit der Entwicklung zufrieden? Wie konnten Sie in dem Markt wachsen?

Haas: Ich bin zufrieden, ja. In Wirklichkeit ist es ein Markt, der auf Vertrauen aufbaut. Die Leute kommen auf Empfehlung, das ist ein zentrales Element, und nur so können wir wachsen.

STANDARD: Hatten Sie seit der Gründung eine Krise?

Haas: Von null anzufangen war hart. Ursprünglich war ich Unternehmensberater, also hatte ich unternehmerisches Know-how. Einige Jahre habe ich meinen Job noch behalten. Das Geld war anfangs immer wieder knapp, wenn man Mitarbeiter aufnimmt und neue Filialen eröffnet. Und man hat auch schlaflose Nächte.

STANDARD: Spüren Sie einen Rohstoffmangel?

Haas: Holz ist unser wichtigster Rohstoff. Wir haben in der Tat ziemliche Engpässe. Wie Klopapier haben wir es gehamstert und unsere Lager vollgeräumt.

STANDARD: Können Sie die Preissteigerungen bei Holz weitergeben?

Haas: Teilweise haben wir eine Steigerung um 50 Prozent. Wir können die Preise noch halten und hoffen, dass sich die Lage wieder beruhigt.

STANDARD: Viele Unternehmen klagen über Personalmangel. Haben Sie dieses Problem auch?

Haas: Wir zahlen überdurchschnittlich gut, glaube ich. Es war aber immer schon schwer, Stellen zu besetzen. Wir brauchen Allrounder, Personal auf dem Friedhof für die Arrangements, wir brauchen Leute, die die Verstorbenen abholen und aufbahren. Sie müssen in der Lage sein, mit verschiedenen Bevölkerungsschichten zu reden. Man braucht Einfühlungsvermögen und diplomatisches Geschick, auch Stressresistenz. Im Sommer ist es ruhiger, im Jänner und Februar bei der Grippewelle ist extrem viel los.

STANDARD: Nicht alle wollen sich täglich mit dem Ableben auseinandersetzen.

Haas: Es passen gut Mitarbeiter zu uns, die bereits eigene Erfahrungen mit dem Tod gemacht haben.

STANDARD: Für Sie ist das Thema Tod ja omnipräsent. Belastet das?

Haas: Mich belastet es vor allem, wenn man bei Verstorbenen sein eigenes Geburtsjahr sieht oder das seiner Tochter. Wenn jemand jung aus dem Leben gerissen wird, ist das wahnsinnig traurig. Vor allem Kinder sind immer hart, das nagt an einem.

Trotz deutlich gestiegener Kosten für Holz musste Haas die eigenen Preise bisher nicht erhöhen.
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STANDARD: Hatten Sie ungewöhnliche Bestattungen?

Haas: Wenn jemand sehr wohlhabend war. Dann sieht man, dass die Menschen im eigenen Mausoleum, im Schloss oder Palais beigesetzt werden.

STANDARD: Wie ist die Bandbreite bei den Preisen?

Haas: Die einfachste Variante ist die Einäscherung und die Urne zu Hause. Für die Aufbewahrung der Urne zu Hause brauchen Sie eine Genehmigung des Magistrats, zumindest in Wien. Da sprechen wir von etwa 1500 Euro. Im Schnitt liegen wir bei 4000 bis 6000 Euro inklusive Friedhofsgebühren. Wenn Sie ein eigenes Mausoleum haben wollen, gibt es nach oben keine Grenzen. Es geht auch extravagant, aber wir sind kein Luxusbestatter.

STANDARD: Warum braucht man für Asche eine Genehmigung, und warum darf man sie zum Beispiel nicht in die Donau streuen?

Haas: In anderen Ländern wie der Schweiz ist das möglich. Ich vermute, es geht ums Geschäft, man will ja mit den Grabplätzen auf dem Friedhof ein Geschäft machen.

STANDARD: Empfinden Sie die Stimmung auf einem Friedhof als bedrückend?

Haas: Ich habe da einen anderen Zugang, ich finde es nicht bedrückend. Für mich ist das ein Ort, der beruhigend wirkt. Auf dem Zentralfriedhof hüpfen die Rehe herum, das ist nicht bedrückend. Bei einer Baumbestattung ist man in der Natur und hat keine Grabsteine, da ist die Stimmung anders.

STANDARD: Welche Formen der Bestattung bieten Sie noch an?

Haas: Es gibt Erd- und Feuerbestattungen, mit Sarg oder Beisetzung der Urne. Mit Urne haben Sie mehr Möglichkeiten. Es gibt Diamant- oder Edelsteinbestattung, da werden aus einem Kohlenstoffteil unter hohem Druck Diamanten gemacht. Edelsteine sind etwas günstiger.

STANDARD: Sind die Menschen großzügiger, wenn sie die Bestattung selbst planen oder wenn Angehörige es tun?

Haas: Zu sich selbst ist man weniger großzügig, da wollen viele eine einfache Beisetzung. Es ist immer noch ein Tabu, aber es ist sinnvoll, sich zu Lebzeiten zu informieren. Oft hat man für sich andere Vorstellungen, als die Familie es hat.

STANDARD: Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Haas: Wir wollen neue Filialen eröffnen, aber mit Maß und Ziel, unsere Leistung ausbauen und die Nummer eins sein, wenn es um das Thema Bestattung geht, und klarerweise wollen wir wachsen und Marktanteile dazugewinnen.

STANDARD: Wie schalten Sie ab?

Haas: Ich gehe in die Natur, Mountainbiken zum Beispiel. Da stelle ich auch das Handy ab.

STANDARD: Stört Sie der Begriff Totengräber?

Haas: Manche Leute bezeichnen mich als Totengräber, das stört mich nicht, außer es wird abwertend verwendet. Totengräber ist eigentlich jemand, der den Aushub vornimmt. Ich sehe mich als Bestatter. (INTERVIEW: Alexander Hahn, 1.11.2021)