Die Aussage vor Gericht kann für Kronzeuginnen und Kronzeugen belastend sein – lieber als eine Verurteilung ist es vielen dann aber doch.

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Wer gegen andere auspackt, um die eigene Haut zu retten, gilt nicht unbedingt als sympathisch. Petzen war schon unter Kindern verpönt. "Man fühlt sich als Verräter", formulierte es ein anonymer Kronzeuge. Gleichzeitig tragen Kronzeuginnen und Kronzeugen zur Aufklärung von Verbrechen bei, die sonst vielleicht nie entdeckt, geschweige denn aufgeklärt worden wären. Kronzeuginnen und Kronzeugen erweisen der Gesellschaft also einen Dienst – auch wenn ihre Motive höchst egoistisch sind.

Seinen Namen trägt der Kronzeuge übrigens nicht, weil seine Aussage die Anklage schmückt wie eine edelsteinbesetzte Kopfbedeckung; sondern weil die Idee aus dem englischsprachigen Raum kommt, wo die Staatsanwaltschaft im Namen Ihrer Majestät, also der Krone, agiert.

In Österreich erst seit 2011

Dass geständige Angeklagte mit milderen Strafen davonkommen, gilt in den meisten Rechtsstaaten als Grundsatz. Eine echte Kronzeugenregelung geht aber noch weiter: In Österreich kommen Auspacker mit einer Geldstrafe, gemeinnütziger Arbeit oder Wiedergutmachung an den Geschädigten davon. Vorausgesetzt, die Staatsanwaltschaft stimmt zu – und das tut sie nur, wenn die angebotenen Informationen das auch wert sind.

Im Strafrecht gilt die Kronzeugenregelung hierzulande seit 2011, ihr erster Nutznießer war ein mitschuldiger Manager der teilstaatlichen Telekom Austria, der über das System der illegalen Parteienfinanzierung bei seinem Arbeitgeber auspackte. Im Kartellrecht gibt es Kronzeugen schon länger: Der deutsche Aufzughersteller Thyssen-Krupp etwa ging 2007 straffrei, weil er Preisabsprachen gestand – die Komplizen zahlten Millionenstrafen.

Unattraktive Lösung

Die österreichische Lösung im Strafrecht gilt vor allem wegen der mangelnden Rechtssicherheit als unattraktiv. Am Ende könnten Betroffene nie ganz gewiss sein, dass sich das Geständnis auch auszahlt. In der Evaluierung des entsprechenden Gesetzes sagt eine Staatsanwältin: "Wenn ich Rechtsanwalt wäre, ich täte das nicht einmal angreifen." Dennoch wurde das Gesetz vor kurzem ohne große Änderungen verlängert.

Die Rolle ist außerdem belastend: In der Evaluierung erzählt ein interviewter Kronzeuge: "Das Allerschlimmste war, gegen meinen ehemaligen Mitarbeiter auszusagen. Der ist ein ganz korrekter Mensch, der nur meinen Auftrag technisch ausgeführt hat." Die unangenehme Aussage war ihm dann aber doch lieber als eine Verurteilung. (Sebastian Fellner, 29.10.2021)