Ein sorgfältiger Umgang mit Symbolen muss beim Bundesheer selbstverständlich sein, sagt die Autorin und Wissenschafterin Elsbeth Wallnöfer im Gastkommentar.

Am Nationalfeiertag rückt das Bundesheer ins Licht der Nation. Für Irritationen sorgte heuer jedoch ein Rabe auf dem Helm eines Soldaten.
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Der Nationalfolklorismus vergangener Tage scheint fast vergessen, das Lob auf die Republik abgefeiert. Der Fahnen flatterten viele und der Bundesadler mit ihnen. Dem Bundesheer gebührt einmal im Jahr, sich als wehrhafte Säule der Republik präsentieren zu dürfen. Die Dichte an Hoheitszeichen, Abzeichen, Dienstflaggen, Banner ist hoch, ganz selbstverständlich begleitet uns dabei der Adler als Insigne der Nation durch den Tag. Für den Rest des Jahres tragen wir ihn unbekümmert mit uns herum: auf dem Personalausweis, dem Reisepass, dem Führerschein.

Kein Kleinreden

Doch in diesem Jahr drängte sich ein republikfremder Vogel in die Gefilde des Adlers. In einem Image-Video des Bundesheeres zierte unübersehbar ein Patch mit einem stilisierten Raben aus dem germanischen Mythenreiche Odins den Helm eines Soldaten. Der Gegenstand der Auseinandersetzung, der sich daraus im sozialen Netzwerk entspann, sollte besonders dem Heer Anlass sein, die eigenen Reihen auf politische Integrität zu überprüfen, und nicht zu einer privaten Petitesse kleingeredet werden. Es gehört wie ein ernsthafter staatspolitischer Fauxpas behandelt.

Da alle Mitglieder des Bundesheeres ihren Eid auf Adler und Fahne schwören, man Deserteure nicht umsonst Fahnenflüchtige nennt, könnte man annehmen, man weiß um die Tragweite eines derartigen Handstreichs. Der sorgfältige Umgang mit Emblemen und Symbolen der Republik sollte für ein Militär, das sich den Regeln parlamentarischer Demokratie unterordnet, selbstverständlich oberstes Gebot und Ausdruck von Loyalität sein. Wie kann es also passieren, dass an einem Nationalfeiertag das Bundesheer ein Video verbreitet, in dem ein Soldat in offizieller Uniform ein Abzeichen aus einem bekenntnisgleichen Bildkanon zweifelsfrei rechter Ikonografie zitiert?

Fremde Federn

Der Repräsentationswert der Insignien des Staates scheint selbst Offiziersrängen vernachlässigbar, die Kontrollinstanzen nicht imstande oder nicht willens, privaten Dekor zu kontrollieren. Derlei zu banalisieren wird dem Ernst der Sache nicht gerecht, da Uniformen festgelegten Regeln im Kriegsvölkerrecht unterliegen. Da geht man nicht einfach mal in österreichischer Uniform und mit einem germanischen Raben, dem Patch von Wacker Innsbruck oder einer Regenbogenfahne auf dem Helm oder der Uniform zu einer internationalen Militärübung.

Die wiederholte Strategie bei rechtstendenziösen Vorfällen, diese bockig als private Kalamität eines Einzelnen kleinzureden, und zwar so lange, bis nichts mehr von der staatspolitischen Verantwortung des Bundesheeres übrigbleibt, übersieht, dass die Häufung von Einzelfällen auch eine Summe bildet. Gestisch repräsentativ, expressiv im Stil, rituell wiederkehrend haben Symbole das Zeug, Gewohnheit zu werden. Schleichend werden sie so irgendwann zur landläufigen "Tradition". Nicht wahrhaben wollend, dass die "durch Tradition geheiligte Vergangenheit" (H. Arendt) nicht per se zweifelsfrei weihewürdig ist.

Ungebührliche Kritik

Die gepflegte Respektlosigkeit gegenüber der Republik camoufliert sich gar manchmal unter Rückgriff auf geheiligte Traditionen, sie nährt sich gar zu gern von der Empörung und lebt von ideenloser Verdrehung. Eine Besonderheit Österreichs ist, dass all die langen Jahre nach 1945 die politische Konvention galt, den Staat stets auf Abstand, aber in Harmonie mit dem theresianischen Katholizismus zu halten. Ist der Österreicher doch ein gläubiger Mensch. Die Nähe der christlich-sozialen Partei (ÖVP) zur Kirche ist zudem einem politischen Interesse geschuldet, das sich durchaus der vielen Wähler, die die reichlich sinnlichen und unter katholischem Einfluss gewachsenen volkskulturellen Feste bieten, bewusst ist.

"Es ist eine wirkliche Heuchelei. Jeder der sagt, er hat noch nie einen Kraftausdruck verwendet – stimmt einfach nicht. Und vor allem Fernsehredakteure die die Moral wie eine Monstranz unter dem Baldachin ihrer Selbstgerechtigkeit vor sich her tragen, da fällt mir vieles ein, aber ich sage es nicht. Denn in manchen Gelegenheiten ist es besser zu schweigen als zu reden."
LH Wilfried Haslauer am Salzburger Landesparteitag

Weihrauchgeschwängerte und farbenprächtige Kirtage und Prozessionen sind einem gelernten Österreicher durchaus bekannt, wie Prozessionen mit ihrem Gepränge von Baldachin und Monstranz gleichsam süße Vorstellung. Nur republikanischen Kräften waren selbige Ausdruck einer sattsam gepflegten Doppelmoral – und auch den Nationalsozialisten. Ausgerechnet dieses Bild bemühte Salzburgs Landeshauptmann, Wilfried Haslauer, einer der letzten treuen Vasallen aus dem neurechten autokratischen Habitat der neuen Volkspartei, zur Bekräftigung seiner ungebührlichen Kritik an bestimmten Redakteurinnen und Redakteuren. Wäre es nicht schale Rabulistik, die von eigenen rotzigen Verfehlungen abzulenken versuchte, könnte man es schlicht Despektierlichkeit nennen.

Anstand und Moral

Wissen der Salzburger und seine Claqueure, dass sie aus dem Sündenpfuhl heraus mit eigener Hinterlassenschaft werfen, sie damit die Usancen von Sebastian Kurz gutheißen? Goutieren, dass die türkise Kamarilla vorgestern noch verabscheuungswürdig über Vertreter der Kirche chattete, keinen Moment verstreichen ließ, um die um ihr soziales Engagement verdiente Caritas zu beschämen, und tags darauf pharisäisch der Volksfrömmigkeit des Bauernbundes in Mariazell beizuwohnen, wohlwissend, dass dem katholischen Gepränge die Kraft hierarchischer Ordnung und Folgsamkeit innewohnt?

Anstand ist nicht mit Moral zu verwechseln. Wem es an beidem fehlt, der attackiert die vierte Gewalt im Staat, den seriösen Journalismus, und die Staatsanwaltschaft. Im nächsten Schritt die Gerichte, im allerletzten das Parlament. Und so ganz nebenbei schnarcht das Bundesheer vor sich hin, während Raben über die Schlafenden kreisen und Domestiken aus der zweiten Reihe die Verteidiger der Demokratie attackieren. (Elsbeth Wallnöfer, 30.10.2021)