Zum Start Anfang November ist das Telefon in diesem Blau und in Schwarz verfügbar.

Foto: STANDARD, aam

Früher erkannte man Mittelklasse-Telefone bereits an der Haptik. Das Gehäuse knarzte und auch die Kameras waren zweitklassig, ebenso die Performance. Das hat sich in den letzten Jahren geändert – auch in Form des neuen Nova 9 von Huawei. Leicht, gut verarbeitet, starker Akku und mit ausreichend Hardware ausgerüstet, um die Hürden des Alltags für die meisten Benutzer gut durchzustehen. Ganz ohne Fehler ist das Smartphone dann aber doch nicht.

Auch wenn die Rückseite aus Kunststoff ist, fühlt sich das Smartphone wertig an.
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Video killt den Fotostar

Hübsch ist es geworden, das Nova 9. Vor allem in dem metallic angehauchten blau, violetten Farbton, hebt es sich von der Masse an einfärbigen Smartphones schön ab. Das Kameramodul steht deutlich hervor, aufgrund der runden Form wirkt es aber weniger klobig als so mancher Kamerabalken, wie in etwa Google zuletzt am Pixel verbaut hat. In eben diesem Kameramodul findet sich eine 50 Megapixel Hauptkamera und eine acht Megapixel Ultra-Weitwinkelkamera. Die Tiefen- sowie die Makrokamera mit jeweils zwei Megapixel und auch die Ultra-Weitwinkelkamera können mit aktuellen Topkameras nicht mithalten. Speziell bei Nachtaufnahmen, die die Hauptkamera noch mit etlichen Details festhalten kann, bleichen die anderen Kameras Details schnell aus.

Die 32 Megapixel Frontkamera macht farbechte Fotos, denen noch diverse Effekte hinzugefügt werden können, etwa wenn der eigene Hautton am frühen Morgen noch etwas gerötet aussieht. Wer generell sich selbst in Szene setzen will, beispielsweise für Video-Blogs oder ähnliches, der freut sich über die zahlreichen Features, die die Software in Zusammenhang mit der Kamera mit sich bringt. So lassen sich etwa Front- und Rückkamera gleichzeitig aktivieren, um so beispielsweise Erklärvideos zu schaffen. Auch Bild-im-Bild wird zur Auswahl angeboten. Diese Features gelten allerdings nur für den Vlog-Modus, also für Videos. Bewegte Bilder können zudem in 4K bei 30 Bildern pro Sekunde aufgenommen werden, eine formidable Bildstabilisation inbegriffen.

Sieht man sich die Videos an, wirken sie aufgrund von fehlenden Details dann aber doch wie hochgerechnete 1440p-Aufnahmen. Bewegt man die Kamera etwas zu schnell, ist zudem ein leichtes Stottern zu bemerken.

Bei grafisch aufwendigeren Apps und Spielen wird das Telefon warm, aber nie heiß.
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Leichtgewicht

Mit Abmessungen von 160 x 73,7 x 7,77 Millimeter und einem Gewicht von 175 Gramm gehört das Nova 9 zu den schlanken und handlichen Smartphones in diesem Segment. So manches Xiaomi der jüngeren Vergangenheit wirkt hier dagegen wie ein dünner Ziegelstein. Das liegt auch daran, dass keine allzu hochwertigen Materialien verbaut wurden. Anstatt Glas oder Aluminium setzt das Smartphone vor allem auf Kunststoff. Dennoch wirkt das Telefon nicht billig, was sicher an der leicht aufgerauten Rückseite liegt – die zudem immun gegen Fingerabdrücke ist.

Reden wir über das Display. Dieses ist 6,57 Zoll groß und löst mit 2.340 mal 1.080 Pixel auf. Der OLED-Screen schafft bis zu 120 Hz und ist an den Seiten leicht abgerundet – allerdings nicht so stark wie bei der Mate-Reihe. Wie bei vielen Flagship-Smartphones sind die Ränder sehr dünn und die Frontkamera ist tatsächlich nur noch ein kleines Punchhole, das man mittig an den oberen Rand gesetzt hat.

Die 900 Nits sorgen für klare Farben, dank OLED-Technologie fühlen sich dunkle Stellen auch richtig Schwarz an. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist dank 300 Hertz Touch Sampling Rate angenehm schnell und ja, das Nova 9 verfügt auch über einen sehr gut funktionierenden Fingerscan, der speziell mit Maske hilfreich ist. Die Gesichtserkennung funktioniert übrigens genauso verlässlich.

Bei schwächerer Belichtung oder gar bei Nacht muss man Kompromisse eingehen.
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Geladen wird mit USB-C und das richtig schnell. Mit dem beigelegten 66 Watt starken Ladeteil füllt sich der 4.300 mAh Akku in unter 40 Minuten voll auf. Das sollte dann in den meisten Fällen auch gut für einen ereignisreichen Tag mit viel App-Nutzung reichen. Der Lautsprecher an der Unterseite kämpft alleine für guten Sound, schafft dies in den meisten Fällen mit klaren Tönen zufriedenstellend, ohne aber an so manch teure Produkte heranzukommen, die zwei Lautsprecher verbaut haben. Sim-Karten fasst das Gerät zwei Stück, was immer wieder ganz praktisch für so manchen Anwender sein dürfte.

Verbaut ist zudem der Mittelklasse-Chip Snapdragon 778G mit 8GB Ram. Bei allen getesteten Anwendungen, auch grafisch aufwendigen Spielen, wurde das Gerät lediglich warm und die Framerate blieb auch auf höheren Einstellungen konstant hoch. Der verbaute 128 Gigabyte große Speicher kann leider nicht erweitert werden und ist abzüglich der vorinstallierten Software knapp über 100 Gigabyte groß. Wer gerne Videos macht und nicht alles sofort in die Cloud lädt, wird hier also bald an seine Grenzen stoßen. Speziell, weil Huawei es liebt für die meisten Nutzer sinnfreie Bloatware vorzuinstallieren. Ganze acht Ordner finden sich mit Apps gefüllt, ohne dass man selbst etwas dazu beigetragen hätte. Die meisten Apps sind als Vorschläge markiert, die man mit einem Druck installieren könnte. Wenn man das nicht will, verbringt man schon einige Zeit damit, diesen Unrat vom Handy zu beseitigen. Eine Unart, die viele Hersteller mittlerweile praktizieren, aber Huawei spielt in diesem Negativrennen leider ganz vorne mit.

Dank Wi-Fi 802.11ax konnten im Test ansprechend schnelle Verbindungen erreicht werden, Bluetooth 5.2 ist ebenfalls verbaut. Für manche vielleicht unwichtig aber dennoch erwähnenswert ist das Fehlen von 5G. Besonders bitter, war Huawei doch einer der ersten Hersteller, die den Standard in ihren Smartphones vorangetrieben haben.

Die Hauptkamera ist das Highlight des gar nicht so dezenten Kameramoduls.
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Apps und Google

Software-seitig ist Android 11 vorinstalliert und natürlich findet sich auch das Huawei-eigene Emui 12 auf dem Smartphone. Im Huawei-Universum sind damit ganz sinnvolle Anwendungen möglich. So kann man die Kamera des Telefons mit einer Huawei-Watch ein- und ausschalten, der Inhalt des Bildschirms kann auf ein Huawei-Notebook geworfen werden und auch der Datentransfer von Smartphone zu Notebook funktioniert einfach und schnell. All diese Gimmicks werden viele Nutzer nie zu Gesicht bekommen, aber erwähnt werden dürfen sie trotzdem.

Mit all diesem positiven Schwung kommen wir zum weiterhin großen Schwachpunkt, mit dem Huawei seit mehreren Jahren zu kämpfen hat – den fehlenden Google-Apps. YouTube, Gmail, Google Maps – sie alle finden sich weiterhin nicht in der App-Gallery des chinesischen Herstellers. Das ist höchst ärgerlich, sowohl für Huawei als auch Menschen, die gerne diese Telefone kaufen wollen, aber wegen dieses Einschnitts zurückschrecken.

Ansonsten finden sich die meisten Apps, die man fürs tägliche Leben benötigt. Netflix, Instagram, Spotify, die Grüne-Pass-App, die meisten österreichischen Banken, Willhaben und so weiter. Manche Apps, etwa MS Teams, finden sich nicht in der App Gallery, lassen sich aber über den Huawei-Browser Petal Search finden, der auch andere Stores durchforstet. Auch wenn die Installationen auch auf diesem Weg meist einfach sind, man bedient sich Stores von Drittanbietern und bekommt deswegen diverse Warnhinweise eingeblendet, die mit Sicherheitshinweisen verunsichern.

Noch ein Wort zur Sicherheit, die im Zusammenhang mit Smartphones zuletzt nicht nur bei Android sondern auch bei Apple immer wieder für Sorgenfalten bei Nutzern geführt hat. Huawei gehört sicher nicht zu den Vorbildern in Sachen Privatsphäre, was eine Studie von Forschern des Trinity College in Dublin erst Mitte des Monats wieder einmal dargelegt haben. Wer sich für die Schwächen der einzelnen Hersteller in diesem Bereich interessiert, der sollte sich diesen Artikel dazu durchlesen.

Die meisten Apps wie Netflix oder Spotify finden sich mittlerweile in der App-Gallery.
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Fazit

Huawei gibt für das Nova 9 eine unverbindliche Preisempfehlung von 499 Euro ab, was sich auch bei österreichischen Händlern widerspiegelt, wenn man es aktuell vorbestellt. Dafür bekommt man ein starkes Smartphone, mit einem ordentlichen Kamerapaket, einem verlässlichen Akku und ausreichend Pferdestärken, um im täglichen Leben keine Einschnitte hinnehmen zu müssen. Speziell das Display weiß mit starken Farben, guter Reaktionszeit und einem Fingerscanner zu überzeugen. Bei den Kameras muss man im Vergleich zu Top-Geräten und so manchem Mitbewerber im Mittelklasse-Segment Kompromisse hinnehmen, die primär auf Kunststoff setzende Hülle stört hingegen kaum.

Die App-Gallery von Huawei hat in den letzten Jahren stark an Fahrt aufgenommen und so finden sich mittlerweile tatsächlich die meisten Apps des täglichen Lebens dort. Das Fehlen der Google-Apps ist weiterhin nervig, auch wenn man die meisten davon via Browser starten kann. Wer selten Google Maps nutzt, sich an viel zu viel vorinstallierte Software nicht stört und nicht zum Start die aktuellste Android-Version braucht, kann einen Blick auf das Nova 9 riskieren. Bis zum 14. November bekommt man zudem bei den meisten Händlern die Freebuds 4 Kopfhörer im Wert von 129 Euro obendrauf. (aam, 30.10.2021)