Franz Rogowski und Anton von Lucke auf einem Filmstill des Films 'Große Freiheit'.

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Nach der Corona-bedingten Sonderausgabe im vergangenen Jahr konnte die Viennale heuer wieder zu einer Art Normalität zurückfinden. Zutritt war zwar nur mit 2,5-G-Regel möglich, dafür waren die Kinos wieder unbegrenzt belegbar. Angesichts des mäßigen Besucherzuspruchs in Theatern, Konzerten und im normalen Kinobetrieb im September war es ungewiss gewesen, wie groß die Lust der Wienerinnen und Wiener auf Filmfestival sein würde.

Am Ende lässt sich sagen: Größer, als man erwartet hätte. Richtig karg sah es während der Viennale nie in den Kinos aus. Mit dem Zuwachs auf 58.200 Besucher (2020: 42.000) und einer gleich gebliebenen Auslastung von 74 Prozent kann das Großevent durchaus zufrieden sein.

Auch die Verkürzung der Viennale auf nunmehr elf Tage, eine international durchaus übliche Länge, tat dem Festival gut und förderte die Konzentration. Besonders hervorhebenswert war die hohe Zahl an Filmschaffenden, die nach Wien gekommen sind, um ihre Arbeiten zu präsentieren. Das hat wohl einerseits in der wieder zugenommenen Reiselust seinen Grund, verdankt sich aber auch dem Renommee des Festivals als prononciert cinephilem Ort, dessen Programmatik geschätzt wird.

Erfreulich viele Gäste

Neben dem britischen Tribute-Regisseur Terence Davies standen Regisseurinnen und Regisseure wie Mia Hansen-Løve, Andrea Arnold, Maria Speth, Mathieu Amalric und Sean Baker zu Gesprächen bereit – ein schönes, bereicherndes Angebot für das Publikum. Ungewöhnlich und erhellend war der Zugang der dem Filmpublizisten Amos Vogel gewidmeten Retrospektive, da sie nicht auf Kanonisierung, sondern auf die Vergegenwärtigung von dessen Idee eines subversiven Kinos setzte. Mit kuratorischer Expertise wurde das Feld der alljährlichen Festivalhighlights an dieser Stelle sinnvoll ergänzt.

Auch im Hauptprogramm würde man sich hier und da noch eine größere Lust an inhaltlichen Fokussierungen und Hervorhebungen wünschen: Den Sonderprogramme fehlt ein wenig der Elan, das Kino auch als Seismograph der Gegenwart stärker in die Pflicht zu nehmen. Mitten im Festivalgeschehen implodierte dann die Anspannung beim heimischen Film: Fast alle österreichischen Filmregisseurinnen traten aus dem Regieverband aus, von dem sie sich freilich schon geraume Zeit nicht mehr adäquat repräsentiert gefühlt hatten. Dieses Signal, das von einem immer energischer geführten Verteilungskampf kündet, konterkarierte die allgemeine Festivalharmonie.

"Große Freiheit" ist großer Gewinner

Am Sonntagabend endete die Viennale dann mit der Galavorstellung von Joachim Triers Beziehungsdrama The Worst Person in the World, auch die in Cannes prämierte Hauptdarstellerin Renate Reinsve war bei der Vorstellung mit dabei. Der Wiener Filmpreis für den besten österreichischen Film ging an Sebastian Meises Große Freiheit. Das Gefängnisdrama über Leiden und Liebe eines homosexuellen Mannes wurde bereits in Cannes ausgezeichnet. Der mit Georg Friedrich und Franz Rogowski stark besetzte Film sicherte sich auch den Erste Bank MehrWERT-Filmpreis.

Cine maldito

Der Spezialpreis der Jury ging an Beatrix der beiden Nachwuchsregisseurinnen Milena Czernovsky und Lilith Kraxner, die Jury würdigte das Werk als "Wurf aus Nonchalance und radikaler Reduktion". Mit dem Standard-Publikumspreis wurde Milica Tomovics Kelti (Celts) ausgezeichnet: Die serbische Filmemacherin nutzt ein Kindergeburtstagsfest im Belgrad des Jahres 1993, um ein filigran gewobenes Ensemblestück um eine Familie und deren Freundeskreis zu entwerfen, in dem sich über eine lange Nacht hinweg Beziehungskämpfe ereignen und Frustrationen entladen.

Der Fipresci-Preis der internationalen Filmkritik für den besten Erst- oder Zweitfilm im Festivalprogramm ging an Re Granchio von Alessio Rigo de Righi und Matteo Zoppis. (Dominik Kamalzadeh, 31. 10. 2021)