Wer an einer Baustelle unterentlohnt wird, hat weiterhin Anrecht auf einen umfassenden Entgeltschutz.

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Mit der Anfang September in Kraft getretenen Novelle des Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetzes (LSD-BG) wurde der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Rechnung getragen, Arbeitnehmerrechte wurden aber nur zum Teil gestärkt.

Die bisherige Strafsystematik des LSD-BG sah Mindeststrafen vor, die kumulativ je Arbeitnehmer verhängt und bei Uneinbringlichkeit in eine Freiheitsstrafe umgewandelt wurden. Ebenso mussten Kosten des Verfahrens von bis zu 20 Prozent der Geldstrafe getragen werden.

Dieses Strafsystem führte mitunter zu existenzbedrohenden Mehrfachstrafen für Unternehmen. Im Fall eines österreichischen Unternehmens, bei dem gegen vier Vorstände eine Geldstrafe in Höhe von 24 Millionen Euro bzw. eine ersatzweise Freiheitsstrafe von rund 4,5 Jahren verhängt wurde, weil das Unternehmen gegen Melde- und Bereithaltepflichten des LSD-BG sowie Ausländerbeschäftigungsbestimmungen verstoßen hatte, beurteilte der EuGH die Strafsystematik als unionsrechtswidrig; vor allem die Mindeststrafen sowie das Mehrfachstrafprinzip für Arbeitnehmer seien unverhältnismäßig.

Höchststrafen

Mit der Novelle des LSD-BG hat der Gesetzgeber den Reformbedarf nur zum Teil gestillt. Die neuen Strafregelungen sehen anstelle kumulativer Mindeststrafen nunmehr ausschließlich Höchststrafen vor. Diese werden unabhängig von der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer als einheitliche Verwaltungsübertretung sanktioniert.

Zur Verhinderung von Lohn- und Sozialdumping wurde eine unterzahlungsabhängige Strafe eingeführt, die mit 400.000 Euro gedeckelt ist. An diese Höchststrafe sind die Behörden auch dann gebunden, wenn die faktische Unterentlohnung gegenüber Arbeitnehmern höher ist.

Wirken Unternehmen bei der Aufklärung von Unterentlohnung mit, kann der Strafrahmen sogar reduziert werden. Bei systematischer Unterentlohnung im großen Stil fällt dieser Maximalstrafrahmen eher milde aus.

Umfassender Entgeltschutz

Nicht entschärft wurde der strenge Unterentlohnungsbegriff. Für Arbeitnehmer besteht weiterhin ein umfassender Entgeltschutz, wodurch neben dem laufenden Gehalt auch das Überstundengrundgehalt samt Zuschlag, Urlaubsentgelt und Ähnlichem geschützt ist. Bei einer Unterentlohnung können Arbeitnehmer dieses Entgelt – unabhängig von einer verhängten Strafe gegen ihren Arbeitgeber – einklagen.

Neu ist die Entschärfung und Entbürokratisierung von Melde- und Bereithaltungspflichten, sogenannten Formaldelikten. Die Verwendung eines falschen Meldeformulars (ZKO 3 anstelle von ZKO 4) ist künftig nicht mehr schädlich, vorausgesetzt das Formular ist vollständig und korrekt ausgefüllt. Verstöße werden immer noch mit bis zu 40.000 Euro geahndet, aber dies stellt eine deutliche Erleichterung für Unternehmen dar.

Bei längeren Einsätzen

In Umsetzung der EU-Entsenderichtlinie sind weitere Änderungen im LSD-BG ergangen. Arbeitnehmerrechte wurden allerdings nur für Einsätze in Österreich, die einen zwölfmonatigen Zeitraum überschreiten, gestärkt.

Dann kommt es zu einer Rechteangleichung mit österreichischen Arbeitnehmern – wenn die österreichische Rechtslage für den Arbeitnehmer günstiger ist. Unternehmen könnten sogar gezwungen sein, Rechtsordnungen nach Günstigkeit zu vergleichen – mit entsprechend hohem administrativem Aufwand.

Weiterhin reformbedürftig bleibt das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das das Mehrfachstrafprinzip je Arbeitnehmer fortführt. (Andrea Haiden, 2.11.2021)