Mattersburger Jubel gab es in der Herbstsaison der burgenländischen 2. Klasse Mitte genug. Der MSV blieb in 15 Spielen ungeschlagen, siegte 13-mal, schoss 60 Tore und kassierte nur zwei Treffer.

Foto: MSV 2020 / Josef Lorenz

MSV-Obmann Manfred Strodl und das Mitglied Dietmar Kühbauer.

Foto: MSV 2020 / Josef Lorenz

Kaum etwas ist trauriger als ein ausgeräumtes Fußballstadion. Noch hallen die dichtgedrängten Emotionen nach. Doch es atmet nicht mehr: weder Erwartung noch Verzweiflung noch Verzückung. Die Erinnerungen sind längst zu Haufen gekehrt. Aber noch will niemand Mistschaufel und Bartwisch zur Hand nehmen.

Das Pappelstadion in Mattersburg ist ein besonders leeres Stadion. Im Sommer des Vorjahres fiel es von ganz oben in die Masse jener regionalen Bank, die Vereinschef Martin Pucher in den Abgrund geführt hat. Selbst Niet- und Nagelfestes kam unter den Hammer. Die Tribünensitze. Das gesamte Café-Inventar. Das VIP-Zelt. Die vier Flutlichtmasten mit ihren fernsehtauglichen Scheinwerferbatterien stehen noch. Aber sie rücken mit ihrer Nutzlosigkeit die Leere erst recht ins rechte Licht.

Das Vereinshaus – es war dies die erste Investition des Martin Pucher, als er 1988 den SV Mattersburg übernommen hat – ist eine Polizeistation. Seit September sind hier die Schnellen Reaktionskräfte (SRK) eingemietet. Nur vorübergehend, heißt es.

Die Kinder blieben

Dabei hätte alles noch viel schlimmer kommen können. "Siehe Eisenstadt", sagt Manfred Strodl. Als der älteste Fußballverein des Burgenlandes, der sich schon seit den 1990er-Jahren fretten musste, 2008 endgültig in die Insolvenz schlitterte, hat man aufs Wichtigste vergessen, "die Kinder". Darum habe alles so gedrängt im Sommer des vorigen Jahres, als die Bank auch den Verein mitgerissen hat. "Hätten wir nicht gleich reagiert, hätten sich die Nachwuchsmannschaften zerstreut. Neue Kinder wären nicht nachgekommen. Auf Jahre hinaus hätte es dann überhaupt keinen Fußball mehr in Mattersburg gegeben."

Angesichts solcher Aussichten sei die Kampfmannschaft erst einmal zweitrangig gewesen. 140 Kinder und Jugendliche konnten aber sofort weitertun in elf Mannschaften. Rund 500 Mitglieder hat der neugegründete Mattersburger Sportverein 2020 bald. Darunter Zugrösser wie Rapids Coach Dietmar Kühbauer. Am Kutschbock saß und sitzt Manfred Strodl. Er war der diesbezügliche Antreiber und ist der Obmann.

Jetzt, nach einem Jahr Pause, gibt es auch wieder Erwachsenenfußball in Mattersburg. Gespielt wird am Stadtrand, in der Fußballakademie. Man misst sich in der Schutzgruppe, Burgenlands 2. Klasse Mitte.

Derbys

Viele Derbys gibt es da. Mattersburg ist immer noch ein klingender Name. Die Auswärtsspiele sind, zur Freude der Gegner, gut besucht. Die Heimspiele, zur Freude von Manfred Strodl, erst recht. Bis zu 800 Zuschauer kommen und tragen so ihr Scherflein bei zum Budget des MSV 2020. "Mattersburg ist eben eine Fußballstadt", sagt der Obmann.

Unlängst, beim Heimspiel gegen die Spielgemeinschaft Deutschkreutz/Unterfrauenhaid II, hat die Tribüne wieder Schlachtrufe angestimmt: "Hier regiert der MSV!" Die Hausherren siegten 11:0. Am Samstag gab’s ein 2:0 gegen Mannersdorf an der Rabnitz. Es war das letzte Herbst-Heimspiel. Weiter geht es Ende Februar gegen die Nachbarn aus Otava/Antau.

"Herbstmeister sind wir schon", sagt Strodl. Zwei Unentschieden hat es gegeben in den bisherigen 15 Spielen, keine Niederlage, Tordifferenz 60:2. "Wir haben nur Spieler aus Mattersburg und der näheren Gegend." Der eine oder andere kam zurück – Landesligaspieler. Bundesligaluft beim SVM hat nur der 28-jährige Dukagjin Karanezi kurz geschnuppert. "Sonst sind es Junge, die einander am Anfang erst haben finden müssen."

Jetzt scheint das Werkl anfangen zu laufen. Das ermuntert, Pläne zu machen. Der Aufstieg in die erste Klasse sollte zu schaffen sein. Man fühlt sich auch stark genug, in gleicher Besetzung die 1. Klasse zu bestehen. Frühestens 2024 gäbe es dann den Mattersburger Fußball in der 2. Liga Mitte. Dort also, wo ihn Martin Pucher 1988 als Obmann übernommen hat. "Unser Plan reicht einmal bis dorthin", sagt Strodl. Nur nichts Hochfliegendes. Mattersburg ist, was das betrifft, ein gebranntes Kind.

Verein und Arbeitsplätze

Manfred Strodl war in den 1970ern Landesliga-Libero beim SV Mattersburg. Beruflich war der heute 68-Jährige Geschäftsführer in einem Bauunternehmen, machte sich 2005 selbstständig. Im Vorjahr gründete er mit ein paar Mitkämpfern nicht nur den Sportverein. Er übernahm die insolvente Dachdeckerei und Spenglerei eines der alten Hauptsponsoren. Die schon verloren geglaubten Arbeitsplätze, mehr als 90, blieben so erhalten. Das Land beteiligte sich mit 32 Prozent an der Firma. Die laufe, sagt Strodl, recht gut. Wie eigentlich die gesamte Baubranche.

Das Ziel nicht nur des Manfred Strodl ist, no na, die Rückkehr ins Pappelstadion. Wann das sein kann, ist schwer zu sagen. Die Stadtgemeinde, der das Grundstück immer schon gehörte, hat die Superädifikate – das Vereinshaus, die Tribüne, die Tribünenkatakomben – vor dem Sommer erworben. Vielleicht, dass man im nächsten Jahr klarer sieht. Im Herbst 2022 stehen Gemeinderatswahlen an. Die Polizei hat jedenfalls einen Mietervertrag bis 2024.

Der Kommandant der im Vereinshaus logierenden SRK heißt Robert Galler. Ab 1989 kickte er beim Landesligisten SVM, trainierte später den Nachwuchs. Als Mattersburger Bezirkskommandant hatte er dann auch Risikospiele sicherheitstechnisch abzuwickeln. Damals. Als Mattersburg noch gegen die großen Wiener Klubs spielte. Feste waren das. Die Rapid! Die Austria! Die waren damals ja auch noch wer! (Wolfgang Weisgram 2.11.2021)