Die dritte Impfung empfiehlt das Nationale Impfgremium (NIG) ab sofort für alle ab 18. Doch warum ist die so wichtig? Soll man einen anderen Impfstoff wählen? Oder kann man ersatzweise einen Antikörpertest machen? DER STANDARD beantwortet die wichtigsten Fragen.

Hat man einen Vektor-Impfstoff bekommen, kann ein mRNA-Impfstoff beim Zweitstich eine deutlich höhere Immunantwort erzielen. Die Daten stammen aus dieser Studie.
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Frage: Jetzt gibt es auf einmal den dritten Stich für alle ab 18. Zuvor wurde er nur für die über 65-Jährigen empfohlen. Warum diese Kehrtwende?

Antwort: Weil die zunehmende Zahl an Impfdurchbrüchen alle Altersgruppen betrifft, wie Markus Zeitlinger, Leiter der Klinischen Pharmakologie an der Med-Uni Wien, betont. Sie sind über alle Altersgruppen gleichmäßig verteilt, deshalb ist es auch nicht sinnvoll, einen Unterschied zu machen.

Frage: Wie häufig kommt es überhaupt zu Impfdurchbrüchen?

Antwort: Mittlerweile ziemlich häufig. Die Zahlen, die man dazu findet, sind allerdings widersprüchlich. In einem Bericht der Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit (Ages) vom vergangenen Freitag etwa heißt es: "Impfdurchbrüche sind selten und betreffen fünf Personen je 1.000 Geimpfte." Tags darauf berichtete die Ampelkommission in einem Protokoll, dass die Hälfte der Covid-19-Hospitalisierten in Oberösterreich geimpft sind. Hinter dieser Diskrepanz steckt ein statistischer Kniff der Ages. Sie zieht alle symptomatischen Fälle seit Februar heran und berechnet, wie oft in diesem Zeitraum zweifach geimpfte Patienten betroffen waren. Da im Februar und März erst ein Bruchteil der Bevölkerung geimpft war, konnte es trotz hoher Infektionszahlen kaum zu Impfdurchbrüchen kommen. Von diesem niedrigen Anteil "profitiert" die Gesamtrechnung.

Frage: Warum muss der Booster-Shot nach sechs Monaten erfolgen?

Antwort: Das ist der Zeitpunkt, ab dem der Drittstich offiziell zugelassen ist. Tatsächlich ist dieser aber willkürlich gewählt, wie Zeitlinger erläutert: "Daten aus Israel zeigen, dass bereits nach zwei Monaten die Schutzwirkung der Impfung nachlässt und diese Reduktion langsam, aber kontinuierlich fortschreitet. Man könnte wohl auch fünf oder sieben Monate als Zeitabstand festlegen, aber für die Auffrischung nach sechs Monaten gibt es die Zulassung. Das heißt, man bewegt sich hier nicht im Off-Label-Bereich."

Frage: Wenn der Impfschutz schon nach zwei Monaten weniger wird, müssen wir damit rechnen, dass das nach der dritten Impfung auch passiert?

Antwort: In Wirklichkeit kann das noch niemand sagen. Man weiß, dass nach der dritten Impfung der Antikörper-Titer deutlich höher ist als nach der zweiten, er erhöht sich mindestens um den Faktor 10. Das spricht dafür, dass der Impfschutz länger hält als nach dem zweiten Stich. Wahrscheinlich kann man Parallelen ziehen zu anderen Impfungen wie etwa jener gegen Zecken, wo das Impfschema für die Grundimmunisierung auch insgesamt drei Impfdosen vorsieht. "Es ist anzunehmen, dass auch die dritte Covid-Impfung länger hält. Wie lange genau, dafür fehlen einfach noch die Daten", so Pharmakologe Zeitlinger.

Frage: Warum ist die dritte Impfung für die Zwölf- bis 17-Jährigen nicht freigegeben?

Antwort: Für unter 18-Jährige gibt es die Zulassung für den dritten Stich noch nicht, es wäre also ein Off-Label-Use. Dazu kommt, dass es in dieser Altersgruppe deutlich weniger Impfdurchbrüche gibt. Bei über 18-Jährigen ist die Sieben-Tage-Inzidenz bei Ungeimpften etwa viermal so hoch wie bei Geimpften. Bei den Zwölf- bis 17-Jährigen ist die der Ungeimpften mehr als zehnmal so hoch. Das liegt auch daran, dass diese Altersgruppe den Impfstoff erst vor relativ kurzer Zeit bekommen hat, Anfang Juni. Zeitlinger befürwortet es, für diese vulnerable Altersgruppe, noch weitere Daten abzuwarten. Es steht nämlich auch die Frage im Raum, die Dosis für den Drittstich zu halbieren – ein Weg, den Moderna bei den Erwachsenen für die dritte Impfung bereits geht.

Frage: Macht ein Antikörpertest vor der dritten Impfung Sinn, um einen ausreichenden Schutz zu zeigen?

Antwort: Nein, für normal gesunde Menschen nicht. Man weiß noch viel zu wenig darüber, wie genau die Immunität nachlässt und ab welchem Level an neutralisierenden Antikörpern man nicht mehr geschützt ist. Dazu kommt, dass so ein Antikörpertest immer nur eine Momentaufnahme ist. Die Aussagekraft ist fragwürdig. Bei immunsupprimierten Personen macht man die Tests aber, um herauszufinden, ob sie überhaupt eine Immunantwort haben. Zeitlinger ist auch gegen eine Diskussion, ab welchem Level man ausreichend geschützt ist. Er betont, dass die dritte Impfung ja erst der Abschluss der Grundimmunisierung ist.

Frage: Wie sinnvoll ist die Kreuzimpfung? Welchen Impfstoff sollte man wählen?

Antwort: Offiziell zugelassen sind Kreuzimpfungen, also der Wechsel des Impfstoffs, nicht. Das NIG empfiehlt diese jedoch, wenn man als Erststich oder zwei Erststiche einen Vektorimpfstoff (Astra Zeneca, Johnson & Johnson) erhalten hat. Es gibt mittlerweile auch umfangreiche Daten, die eine erhöhte Schutzwirkung durch so einen Vakzinwechsel erkennen lassen. Dünner wird die Datenlage für einen Wechsel zwischen den mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna für den Drittstich. Zeitlinger empfiehlt das nicht: "Es gibt keine Anzeichen, dass es schadet. Aber es gibt auch keine Argumente dafür, vom zugelassenen Schema abzugehen, da fehlen einfach noch die Daten." Der Pharmakologe betont auch, dass man aufpassen müsse, keinen unfairen Vergleich zu machen. Denn die Dosierung von Moderna bei den ersten beiden Stichen ist wesentlich höher als bei Biontech/Pfizer, 100 Mikrogramm im Vergleich zu 30. Bei der Drittimpfung wird darüber hinaus die Dosis von Moderna auf 50 Mikrogramm reduziert. Ob die Immunantwort dann immer noch besser ist, kann man noch nicht sagen.

Frage: Jetzt geht es plötzlich recht schnell mit der Drittimpfung. War nicht abzusehen, dass die Immunisierung der Zweitgeimpften nachlassen und der Anteil der Durchbrüche steigen würde?

Antwort: Doch. Stichprobenstudien ergaben bereits im Sommer, dass das Antikörperniveau sechs Monate nach der Zweitdosis um bis zu 80 Prozent abfallen kann. Auch an den Ages-Zahlen war in den vergangenen Monaten abzulesen, wie sich der Anteil der Durchbrüche konstant erhöhte und das deutlich schneller als die Impfquote: von weniger als einem Prozent im Mai auf neun Prozent im Juli und rund 40 Prozent im Oktober.

Das hat einerseits mit der nachlassenden Immunantwort zu tun, andererseits ist die Delta-Variante deutlich infektiöser. Den Impfstoff anpassen muss man deshalb nicht, das würde auch trotz beschleunigter Verfahren einige Monate dauern. Der Drittstich schützt hervorragend. (Pia Kruckenhauser, Michael Matzenberger, 3.11.2021)