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Laut dem Fahrplan der türkis-grünen Koalition sollen die neuen Vorgaben bereits 2022 oder 2023 in Kraft treten.

Foto: reuters/foeger

"Kilometerweit" auseinander lägen die Parlamentsparteien, wenn es um die Positionen zur Reform des Arbeitslosengeldes gehe, findet der Neos-Abgeordnete Gerald Loacker. Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) hat die Sozialsprecher der Oppositionsparteien am Dienstag zu einem Gespräch zu dem Thema eingeladen. Die "Details bleiben vertraulich", kündigte Kocher gleich zu Beginn an, jedoch wolle man den Dialog mit allen Parlamentariern weiterführen.

Arbeitslosengeld soll mit der Zeit sinken

"Wir können uns ein degressives Modell vorstellen, mit zunächst höherem Arbeitslosengeld, das später weniger wird", sagt ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger. Auf diese Weise soll der Druck steigen, eine Beschäftigung zu finden. Zusätzlich wolle man "Zumutbarkeitsbestimmungen" sammeln, etwa um Personen, die von Altersdiskriminierung betroffen sind, auszunehmen.

Auf dieses Modell pocht die Volkspartei schon länger, Kritiker wie der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) warnten in der Vergangenheit allerdings, dass so womöglich die Qualifikation der Arbeitskräfte bei der Vermittlung künftig nicht mehr zähle, da so rasch wie möglich eine neue Stelle gefunden werden muss. Zudem verweist die Interessenvertretung für Arbeitskräfte darauf, dass neun von zehn Arbeitslosen einer Studie der Arbeiterkammer zufolge unter der Armutsgefährdungsschwelle leben würden.

Unterschiedliche Herausforderungen

Markus Koza, Sozialsprecher der Grünen, verweist darauf, dass in der Pandemie mit höherer Arbeitslosigkeit – die mittlerweile wieder gesunken ist – auch die Armutsgefährdung gestiegen sei. Man sollte Menschen "qualifizieren und motivieren statt sanktionieren", sagt er. "Eine Kürzung wird es mit uns nicht geben", verkündet er, ohne detailliert auf das degressive Modell der ÖVP einzugehen. Nebst der Anpassung der Gelder sei es auch wichtig, betroffene Branchen auf künftige Herausforderungen vorzubereiten – darunter die Klimakrise, den Pflegenotstand und den digitalen Wandel. Dafür brauche es Unterstützungen, Umschulungen und mehr Optionen, um neue Qualifikationen zu erlangen. Statt "Angst" soll die Bevölkerung "Chancen" in diesen Entwicklungen erkennen.

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch appelliert, "Menschen nicht in ein schlechtes Bild zu stellen, weil sie derzeit keinen Job haben". Wesentlich sei, das Arbeitslosengeld zu erhöhen, aber es brauche auch mehr Geschwindigkeit, um Langzeitarbeitslose zurück in den Arbeitsmarkt zu bringen. Wesentlich sei dabei vor allem, "Betroffene in den Vordergrund zu stellen". "Jeder, der in seinem Berufsleben arbeitslos war, weiß, das ist die schlimmste Zeit, die ein Mensch erlebt", so der Sozialdemokrat. "Der Staat muss aus unserer Sicht mehr eingreifen, mehr tun, mehr steuern" – und damit unterscheide sich die Position von jener der Neos.

Neos: "System verteuern ist der falsche Weg"

Die finden nämlich: "Wir haben so viele offene Stellen wie noch nie. Wenn man von höherem Geld spricht, hat man die Realität nicht verstanden", sagt Loacker. Arbeit sei teuer und müsse sich rentieren – daher sei der beste Weg für ausreichend Arbeitskräfte vor allem, Steuern zu senken. "In einer solchen Phase ein international anerkanntes System zu verteuern ist der falsche Weg."

Die FPÖ findet, dass es essenziell sei, Beschäftigungslose abzusichern, bis sie in den Arbeitsmarkt zurückfinden können, sagt die freiheitliche Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch. Gerade bei Langzeitarbeitslosigkeit gebe es unterschiedliche Gründe – etwa das Alter oder bestimmte Krankheiten, aber auch Personen, die "unwillig" seien. Der Sondernotstand selbst müsse unbefristet bleiben, um Betroffene nicht zu verlieren. Was letztlich die "blaue Linie" sein wird, würde sich nach der Vorstellung eines ersten Entwurfs zeigen.

Dieser soll zu Beginn des kommenden Jahres vorgestellt werden. Laut dem Plan der türkis-grünen Koalition sollen die neuen Vorgaben bereits 2022 oder 2023 in Kraft treten. (muz, 2.11.2021)