"Fall in Love mit mir" hat Nina Hagen 2005 gesungen.

Foto: APA / Michael Kappeler

"Wirst du jetzt lesbisch, oder was?", schreit mein Freund, der Fotograf, in mein Ohr. Wir stehen auf dem Dancefloor in einem Club. Unsere erste richtige Party seit gefühlt hundert Jahren, strengstes 2G. Und ja, diese jungen Frauen, die sich da vor unseren Augen im Takt zu Andy von Les Rita Mitsouko bewegen: der Hammer. "Du musst doch zugeben, dass das heute mit Abstand das beste Angebot ist", schreie ich zurück und tanze weiter.

Auf dem Dancefloor spielen sie jetzt einen weiteren 80s-Hit, Eisbär von Grauzone. Ich habe mich schon immer mehr für Menschen und Atmosphären interessiert, fällt mir beim Tanzen ein, weniger für Orientierungen. Aber Orientierung – politisch, gesellschaftlich, sexuell – ist ja für ältere Jahrgänge alles. Man sollte zu allem und jedem einen durchargumentierbaren Standpunkt haben. Fleisch: ja oder nein? Autos? Lesbische Liebe?

Letztere, so scheint es, liegt gewaltig im Trend: Celebritys wie Cara Delevingne und Kristen Stewart bekennen sich schon länger öffentlich zu ihrer neuen Ausrichtung. Auch hierzulande gehört es mittlerweile zum Stadtbild, dass Frauen händchenhaltend und küssend über Einkaufsstraßen flanieren, ganz ohne Scheu. Oder sinnlich miteinander tanzen, ohne auf die Blicke der umstehenden Männer zu achten, wie heute Abend hier im Club.

Grauzone

Wer versucht, daraus aber eine Modeerscheinung zu konstruieren, hat möglicherweise nichts verstanden. Homosexualität zu leben (in Österreich übrigens erst seit dem Jahr 1971 nicht mehr strafbar) war jahrhundertelang schwierig und gefährlich genug.

Gesellschaftliche Ächtung war Betroffenen auch bis weit nach 1971 sicher. Um mit diesen und anderen überholten Konventionen zu brechen, fühlen sich heute immer mehr Menschen auf diesem Planeten "woke".

Fall in Love mit mir

Wir genehmigen uns einen Drink an der Bar, bewundern dabei weiter die coolen Tänzerinnen. Aus den Boxen dröhnt jetzt Fall in Love mit mir von Nina Hagen. Inzwischen ist auch unser Freund, der wilde Künstler, da. "Es gibt da dieses Klischee von der romantischen Frauenliebe", schreit er.

Aber unter Umständen gehe es auch bei den Lesben wesentlich härter zur Sache. Er kenne da eine Gehirnchirurgin, die stehe auf Dinge, dagegen sei Fifty Shades of Grey ein Kindergeburtstag. "Am liebsten mit zwei Frauen gleichzeitig!" – Tja, es gibt wohl in jedem Genre Spielarten. Und Zärtliche Cousinen, mit ganz viel Weichzeichner, das war wohl schon immer eine Fantasie von alten heterosexuellen Männern. (Ela Angerer, RONDO, 8.11.2021)