Die Gewerkschafter Rainer Wimmer (vorne) und Karl Dürtscher gingen gleich mit dem Werkzeugkoffer in die Herbstlohnrunde.

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Wien – 13 Stunden Verhandlungen – und doch kein Ergebnis: Die Gewerkschaft hat die Herbstlohnrunde der Metalltechnischen Industrie in der Nacht auf Mittwoch abgebrochen. Es sei kein akzeptables Ergebnis erzielbar gewesen, sagten die Verhandlungsführer Rainer Wimmer und Karl Dürtscher. Nun laufen die Vorbereitungen für gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen in der gesamten Metallindustrie auf Hochtouren.

Dabei war die Stimmung nach Pause und Abendessen hörbar besser gewesen. Es habe aber doch nicht gereicht für eine "ordentliche Reallohnsteigerung". Der Dreier, der den Arbeitnehmern angesichts der im Oktober über 3,5 Prozent gelegenen Inflationsrate und voller Auftragsbücher vorschwebt, sei zu weit entfernt – selbst wenn man die Erhöhung der Zuschläge für Schicht- und Nachtarbeit sowie Lehrlingsentschädigungen einrechne, wie das Arbeitgeber der Metalltechnischen Industrie, also Maschinenbau- und Metallverarbeitungsbetriebe, ständig vorrechneten. Sie wollen so die dauerhaften Steigerungen beim "Working Capital" im Zaum halten.

"Nicht sehr intelligent"

Das Angebot der Metalltechnischen Industrie beinhaltet laut eigenen Angaben die Erhöhungen der Löhne und Gehälter um 2,75 Prozent, eine deutliche Erhöhung der Lehrlingsentgelte und Schichtzulagen. "Wir waren heute abschlussbereit", so der Obmann des Fachverbands Metalltechnische Industrie (FMTI), Christian Knill. Die Gewerkschaften hätten sich auf ein unrealistisches Forderungspaket festgelegt. Das lasse die wirtschaftliche Entwicklung nicht zu. "Zu einem Ergebnis sollten wir am Tisch kommen. Es ist nicht sehr intelligent, jetzt mit künstlichem Aufruhr für Wirbel zu sorgen."

Kurz ein Vierer vor dem Komma

Kurzfristig war dem Vernehmen nach sogar ein Vierer vor dem Komma im Raum gestanden – allerdings nur im Kombipack mit einem mehrjährigen Abschluss (mindestens zwei Jahre). Dies lehnten die versammelten Gewerkschafter und Betriebsräte aber als unannehmbar ab, dies sei nicht nachhaltig. In den Folgejahren gäbe es diesfalls nur Einmalzahlungen (in zu verhandelnder Höhe), damit wolle man sich angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung aber nicht abspeisen lassen, so die Argumentation.

Das vorerst letzte Angebot der Arbeitgeber war den Arbeitnehmervertretern mit 2,75 Prozent zu gering. "Deutlich zu wenig und in dieser Phase der Kollektivvertragsverhandlungen mit Betriebsversammlungen und Streikbeschlüssen verantwortungslos", betonten Wimmer und Dürtscher. "Das ist keine Wertschätzung für die Leistung der Beschäftigten und schürt nur den Konflikt."

Warnstreiks in 50 Betrieben

Übertrieben scharf gehen es die Gewerkschafter mit ihren gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen offenbar nicht an. Am Mittwoch werde es einzelne Aktionen geben, vorerst in 50 Betrieben, verlautete die Arbeitnehmerseite. Aktionstage mit Kampfcharakter sollen dann der Donnerstag und teilweise auch der Freitag sein. Angedacht sind auch öffentlichkeitswirksame Aktionen wie eine Sperre der Triester Straße im 23. Bezirk in Wien, um dort eine Betriebsversammlung abzuhalten. Das freilich ist nicht unumstritten, gilt der Donnerstag doch als einer der verkehrsstärksten Tage in der Woche und die Südeinfahrt ohnehin als neuralgische Zone.

Vom Ablauf her dürfte das so aussehen: Die vorige Woche unterbrochenen Betriebsversammlungen in den Unternehmen der gesamten Metallindustrie werden von Mittwoch bis Freitag wiederaufgenommen, ebendort werden dann befristete Warnstreiks in der gesamten Metallindustrie beschlossen. Diese Arbeitsniederlegungen sind von 9. bis 11. November geplant, es werde insbesondere der Schichtbetrieb, in dem rund 70.000 Beschäftigte arbeiten, stundenweise lahmgelegt.

Start ohne Fahrzeugindustrie

Flächendeckend werden die gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen anfangs allerdings nicht sein. Die Fahrzeugindustrie mit Branchengrößen wie dem Autozulieferer Magna, dem Gleitlagerspezialisten Miba oder Steyr Automotive ist vorerst ausgenommen. Diese mit rund 33.000 Beschäftigten nicht riesige, aber umso bedeutsamere Branche führt erst am 8. November ihre zweite echte Verhandlungsrunde. Davor wolle man nicht loslegen, so das Kalkül. Betriebsversammlungen würden auch dort abgehalten, sagt Wimmer. Die Fahrzeugindustrie sei nicht ausgenommen.

Auch in Bergbau/Stahl mit dem Leitbetrieb Voestalpine haben die Gewerkschafter den Fuß noch nicht auf dem Gas. Denn die dank hoher Stahlpreise wieder wie geschmiert laufende Branche hat erst am Mittwoch ihre dritte echte Verhandlungsrunde. Davor will die Gewerkschaft in diesem Bereich vor Donnerstag noch nichts blockieren – wie auch in der Nichteisen-Metallindustrie, zu der der Alu-Riese Amag ebenso gehört wie Hammerer Aluminium.

Wimmer: Arbeitgeber waren bei Dividenden "nicht zimperlich"

Zu Gast im Ö1-"Morgenjournal" um acht Uhr am Mittwoch, unterstrich Rainer Wimmer erneut die Argumente der Gewerkschaft: Das Angebot der Arbeitgeberseite entspreche nicht der wirtschaftlichen Realität. Das Wirtschaftswachstum sei mit 4,5 Prozent so hoch wie schon lange nicht mehr, die Inflation mit 3,6 Prozent auf einem Zehnjahreshoch. "Das spüren die Leute auch", sagt Wimmer.

Auf die Frage, ob die Forderung von 4,5 Prozent Lohnerhöhung nicht überzogen sei, meinte Wimmer, die Gewerkschaft schaue hin, was die Arbeitgeberseite mache. "Die waren nicht zimperlich, sich ordentliche Dividenden auszuschütten", so Wimmer. Man habe nichts dagegen, wenn sich Arbeitgeber belohnen, man wolle aber, dass die Menschen "mitgenommen werden".

Am Wochenende habe man ein Zeitfenster frei für Verhandlungen, bevor man nächste Woche mit befristeten Streiks starten könnte, sofern die Forderungen nicht erfüllt werden. Auf die Frage, ob sich die Gewerkschaft nicht mit der Arbeitgeberseite in der Mitte, nämlich bei 3,6 Prozent Lohnerhöhung, treffen könnte, sagte Wimmer im "Morgenjournal" zur Moderatorin: "Das ist schwierig, mit Ihnen Lohnverhandlungen zu führen. Aber so ganz falsch liegen Sie nicht."

Handel verhandelt

Verhandelt wird am Mittwoch auch über Gehaltserhöhungen für rund 600.000 Angestellte im Einzel- und Großhandel. Das wird nicht minder schwierig, denn die Unternehmen laborieren noch am Corona-Schock, Arbeitsbedingungen und Gehälter gelten als verbesserungs- und ausbaufähig. (Luise Ungerboeck, red, 3.11.2021)