Ein Sanierungsprojekt in der Stadt Salzburg soll Klimaneutralität und zusätzlichen Wohnraum in einer in die Jahre gekommenen Wohnanlage bringen.

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Die Wohnhausanlage Friedrich-Inhauser-Straße im Salzburger Stadtteil Aigen ist eine in die Jahre gekommene Siedlung aus den 1980er-Jahren. Zahlreiche Mängel machten eine umfassende Sanierung unumgänglich.

Dabei entschied sich der gemeinnützige Bauträger Heimat Österreich für umfassende Modernisierungsmaßnahmen, die dem Ziel einer CO2-neutralen Siedlung so nahe wie möglich kommen sollen. Die Umsetzung erfolgt im Rahmen des im April 2018 gestarteten Projekts Zero Carbon Refurbishment II (ZeCaRe II) unter der Konsortialführung des Salzburger Instituts für Raumordnung und Wohnen.

Die technischen Maßnahmen zur energetischen Optimierung haben Wissenschafter der Fachhochschule Salzburg in Kooperation mit dem Technischen Büro Stampfer entwickelt. "Es ging um die Frage, wie man eine klimaneutrale Sanierung schafft", sagt Markus Leeb, Forschungsleiter Smart Building an der FH Salzburg. "Und zwar unter Einrechnung des gesamten ökologischen Rucksacks des Gebäudes."

Eine wichtige Rolle spielt dabei Mobilität. So wurde beispielsweise der Stellplatzschlüssel reduziert. Damit steht nicht für jede Wohneinheit ein Parkplatz zur Verfügung. Im Gegenzug wurden für jede Wohnung mehrere Fahrradparkplätze geschaffen. Auch ein Carsharing-Angebot wird es direkt in der Anlage geben.

Optimierung bis zum WC

Weiters ist die energetische Nutzung des Abwassers – inklusive des Wassers der WC-Spülung – Teil des Gesamtkonzepts. Das Abwasser mit einer über das Jahr gerechneten Durchschnittstemperatur von 21 Grad Celsius wird in einem Becken gesammelt. Eine Wärmepumpe gewinnt dann die darin gespeicherte Energie zurück.

Leeb schätzt, dass einer Kilowattstunde Strom, die man zum Betrieb der Wärmepumpe benötigt, vier Kilowattstunden Wärme auf der Habenseite gegenüberstehen. Die Zieltemperatur beträgt dabei recht hohe 60 Grad, weil die rückgewonnene Wärme zur Warmwasseraufbereitung und auch zur Raumheizung genutzt wird.

"Darum muss die Wärmepumpe auf einer höheren Temperatur fahren, als wenn man nur heizen würde", erklärt der Forscher. Der rund 28 Kubikmeter große Abwasserspeicher wird anschließend rückgespült und füllt sich dann erneut.

Wärme herausholen

Auch die in der Abluft enthaltene Energie soll mittels einer Wärmepumpe genutzt werden. Dazu gibt es in den Wohnungen Zuluft-Überströmer, die Frischluft einbringen. In den Nassräumen sind Abluftventilatoren installiert.

Dadurch ist einerseits für eine regelmäßige Luftventilation gesorgt. Andererseits wird die warme Abluft aus den einzelnen Häusern gesammelt und über einen Wärmetauscher der Wärmepumpe zugeführt. "Auf diese Weise wollen wir versuchen, Wärme aus der Abluft herauszuholen", sagt Leeb.

Bisher wurde die Technik nur virtuell in Computersimulationen getestet – mit Erfolg. Ein Monitoringsystem wird den Praxistest begleiten und die Wärmeerzeugung aus Abluft und Abwasser auf Herz und Nieren prüfen.

Das System mit den zwei Wärmepumpen ist außerdem redundant ausgelegt. Falls eine Pumpe abgeschaltet werden muss, beispielsweise zur Wartung, läuft die andere weiter. Allerdings sollte man die Wartung nicht gerade im Hochwinter durchführen, schränkt Leeb ein.

Für Notfälle oder extreme Kälteperioden steht jedenfalls ein mit Pellets beheizbarer Spitzenlastkessel als zusätzliche Heizquelle parat. Eine Photovoltaikanlage mit 86 Kilowatt Spitzenleistung rundet das Energiekonzept ab. Für die Nutzung des solar erzeugten Stroms kommt ein dynamisches Modell zur Anwendung: Bewohner, die tagsüber Strom benötigen, also dann, wenn er erzeugt wird, werden bevorzugt und zahlen weniger.

Zusätzliche Wohnungen

Das Salzburger Sanierungsprojekt sieht außerdem eine Nachverdichtung durch die Erhöhung der Geschossflächenzahl vor. Dadurch wird der Wohnungsbestand von zuvor 75 auf 99 erhöht. Die Klimaaktiv-Gebäudedatenbank des Klimaministeriums bewertet den sanierten Wohnbau mit 929 von 1000 möglichen Punkten.

"Europa soll bis 2050 klimaneutral werden", sagt Leeb. "Dazu müssen wir auch den Gebäudebestand angehen und nicht immer neu in die grüne Wiese bauen. Was wir heute nicht klimaneutral sanieren, rächt sich in ein paar Jahrzehnten, weil wir es dann erst recht klimaneutral sanieren müssen."

Das Projekt wird im Rahmen des Smart-Cities-Demo-Programms der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) mit Mitteln den Klimafonds des Klimaschutzministeriums gefördert. Das Projektvolumen beträgt rund 1,4 Millionen Euro. Die Bauarbeiten sind derzeit voll im Gange, im ersten Quartal 2022 sollen die Gebäude bezugsfertig sein. (Raimund Lang, 3.11.2021)