Minister Martin Kocher.

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Für Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) war es wieder ein Tag der Freude. Der Grund: Die vom AMS am Dienstag veröffentlichten Zahlen zeigen, dass die Erholung am Jobmarkt anhält. Zwar ist die Zahl der Menschen ohne Job in Österreich von September auf Oktober leicht gestiegen. Doch diese Entwicklung ist saisonal üblich. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Verlauf günstig. Im Oktober waren im Schnitt 341.142 Menschen arbeitslos gemeldet oder beim AMS in einer Schulung. Das sind um 82.000 weniger also noch vor einem Jahr.

Kocher führte das im Kurznachrichtendienst Twitter auf die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der Regierung und auf die Wirtschaftserholung zurück. Dort hielt er auch fest, dass die Zahl der Jobsuchenden aktuell unter dem Vor-Corona-Niveau im Oktober 2019 liegt. Selbst die Zahl der Langzeitbeschäftigungslosen geht zurück.

Das ist alles richtig. Dennoch gibt es bei der Entwicklung auch ein paar Schattenseiten, die der Minister nicht erwähnte. Zunächst einmal sind weiterhin viele Menschen in Kurzarbeit, weil Unternehmen nicht voll ausgelastet sind. Auf dem Stand von Ende Oktober waren knapp 41.000 Menschen in Kurzarbeit, für 71.280 Personen wurde sie zumindest beantragt. Das sind mehr Betroffene als selbst am Höhepunkt der Finanzkrise 2009.

Die Kurzarbeitsregelung ist weiter recht generös. Nun ist nicht gesagt, dass all diese Menschen ohne die staatlich subventionierte Kurzarbeit sofort ihren Job verlieren würden. Aber selbst wenn das nur bei etwas mehr einem Viertel der Personen der Fall sein sollte, wären die Arbeitsmarktzahlen heute nicht besser, sondern schlechter als vor dem Beginn der Pandemie.

Ohne Zweifel positiv ist der Trend bei den Langzeitbeschäftigungslosen, auch hier gab es einen kräftigen Rückgang. Aktuell sind rund 114.000 Menschen laut AMS-Definition langzeitbeschäftigungslos. Das heißt, diese Leute finden seit über einem Jahr keine Stelle. Schulungen oder kurze Arbeitsaufnahmen unterbrechen diesen Status nicht.

Arbeitslos als Dauerzustand

Neben der starken wirtschaftlichen Erholung führt das AMS diese Entwicklung auf den Start der Aktion Sprungbrett zurück. Unter bestimmten Voraussetzungen zahlt das AMS Unternehmen einen Zuschuss zu den Lohnkosten. Der Arbeitgeber muss eine arbeitslose Person über 45 Jahren einstellen oder eine langzeitarbeitslose oder akut von Langzeitarbeitslosigkeit bedrohte Personen.

Im Rahmen der Aktion Sprungbrett stellt die türkis-grüne Regierung zusätzliches Geld bereit, einerseits um Arbeitstrainings für Langzeitarbeitslose zu verstärken, andererseits, um für diese Gruppe zusätzliche Lohnzuschüsse finanzieren zu können.

Seit Juli läuft das Programm, und auch deshalb gibt es offenbar den Knick bei den Zahlen (siehe Grafik). Doch auch hier gibt es eine Kehrseite. Österreich bleibt weiterhin ein Land, in dem besonders viele Jobsuchenden lange vom Arbeitsmarkt wegbleiben. Dabei wird das Problem mit der vom AMS verwendeten Zahl vermutlich sogar etwas unterschätzt.

Denn Menschen, die seit über einem Jahr arbeitslos sind, sich aber aktuell in einer Schulung beim AMS befinden, sind hier in der Statistik nicht miteingerechnet. Zählt man diese Personen dazu, wie es das gewerkschaftsnahe Momentum-Institut regelmäßig macht, sind aktuell etwas mehr als 156.000 Personen langzeitbeschäftigungslos.

Unterdessen hat am Dienstag Minister Kocher die Sozialsprecher der Oppositionsparteien zu einem Gespräch über mögliche Arbeitsmarktreformen getroffen. Die "Details bleiben vertraulich", kündigte Kocher an, jedoch wolle man den Dialog mit allen Parlamentariern weiterführen. Klar wurde dabei, dass die Positionen der Parteien "kilometerweit" auseinanderliegen, wie Gerald Loacker (Neos) betonte.

Unterschiedliche Ansichten gibt es etwa dabei, wie ein degressives Arbeitslosengeld, das mit der Zeit sinkt, ausgestaltet sein könnte und ob es überhaupt notwendig ist.

Die ÖVP findet ja Gefallen an so einem Modell. Der grüne Abgeordnete Markus Koza stellte klar, dass es mit den Grünen kein Absenken des Arbeitslosengeldes geben werde. SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch appelliert daran, "Menschen nicht in ein schlechtes Bild zu stellen, weil sie derzeit keinen Job haben". Er fordert, das Arbeitslosengeld zu erhöhen.

Neos: Steuern senken

Loacker von den Neos kritisierte, dass es Realitätsverweigerung sei, aktuell über ein höheres Arbeitslosengeld zu sprechen, angesichts der Tatsache, dass es noch nie mehr offene Jobs im Land gab. Statt mehr Arbeitslosengeld brauche es eine Steuersenkung, um Arbeit billiger zu machen. (András Szigetvari, Muzayen Al-Youssef, 2.11.2021)