Das Bundesverdienstkreuz sollte Greif am 10. November verliehen werden.

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Der menschenrechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Brand, kritisierte die geplante Ehrung des israelischen Historikers Gideon Greif mit dem Bundesverdienstkreuz als "unangemessen und zum Schaden unseres Landes". Dies sei Wasser auf die Mühlen der Extremisten. "Wer Völkermord in Europa leugnet, Opferzahlen manipuliert und sich zum Propagandainstrument der Ultranationalisten machen lässt, der hat keine Ehrung, sondern deutlichen Widerspruch verdient", so Brand.

Die Auszeichnung von Greif, die am 10. November November stattfinden sollte, sorgt in Bosnien-Herzegowina vor allem unter den Angehörigen der Opfer des Genozids von Srebrenica für Empörung. Denn die Greif-Kommission, die von der autokratisch geführten Republika Srpska, einem der beiden Landesteile von Bosnien-Herzegowina, eingesetzt wurde, behauptete fälschlicherweise, dass in Srebrenica während des Bosnienkriegs 3.500 Bosniaken und 2.000 Serben getötet worden seien.

Ethnische Säuberungen für Großserbien

Tatsächlich wurden allein im Juli 1995 im Raum rund um Srebrenica über 8.000 Menschen mit muslimischen Namen (Bosniaken) – vorwiegend, aber nicht nur Männer und Burschen – von bosnisch-serbischen Milizen unter dem Kommando des damaligen Generals Ratko Mladić ermordet.

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte nach dem Protest wegen der Auszeichnung für Greif, dass er die Entscheidung überprüfen werde. Brand fordert hingegen eine "schnelle und klare Reaktion", um weiteren Schaden von Deutschland abzuwenden. "Diesem Spuk sollte schnell ein Ende gesetzt werden, gerade Deutschland darf einen Völkermordleugner nicht mit der höchsten Auszeichnung unseres Landes ehren. Allein die verkündete Entscheidung hat dem Ansehen unseres Landes geschadet und die Opfer beleidigt." Zur Schadensbegrenzung müsse das Bundespräsidialamt "jetzt schnell und vor allem klar reagieren und sich bei den Opfern des Völkermords entschuldigen".

Geschichte umschreiben

Kritik übt Menschenrechtspolitiker Brand an den Diplomaten im Auswärtigen Amt: "Das hätte nie passieren dürfen. Schließlich verbreitet Gideon Greif seine Lügen in Bezug auf den Völkermord in Bosnien nicht im Verborgenen, ganz im Gegenteil, und genau das gehört ja zur Strategie des Leugnens und Relativierens." Die sogenannte Greif-Kommission bezeichnete Brand als "politisches Instrument, um Geschichte umzuschreiben und die Wahrheit mit Füßen zu treten". Ohne Wahrheit und Gerechtigkeit werde es keinen Frieden geben können.

Der stellvertretende Geschäftsführer des Jüdischen Weltkongresses, Menachem Z. Rosensaft, kritisierte die Greif-Kommission bereits vergangenen Sommer scharf und nannte deren Bericht peinlich. Rosensaft wies darauf hin, dass die "selbsternannte" Untersuchungskommission auf Initiative eines "separatistischen, den Völkermord leugnenden Führers der bosnischen Serben" eingesetzt wurde – und bezog sich dabei auf das serbische Mitglied des bosnischen Staatspräsidiums, Milorad Dodik.

Reale Gefahr für die Stabilität

Brand betont, dass der "Fall Greif", das "kontinuierliche Zündeln Dodiks" sowie die schon zu lange schwache Haltung der internationalen Gemeinschaft und auch Deutschlands "symptomatisch für das Wegducken der Diplomatie" seien, "wo klare Haltung notwendig wäre".

Es sei an der Zeit, dass das Auswärtige Amt in Berlin seine Balkanstrategie kritisch hinterfrage, damit aus einem "Krieg der Worte kein heißer Krieg auf dem Balkan wird". Die vom Nationalisten Dodik in der Republika Srpska aggressiv verfolgte und vom Westen de facto immer wieder tolerierte Strategie bezeichnet Brand als eine "reale Gefahr für die Stabilität in der Region und in Europa". (Adelheid Wölfl, 2.11.2021)