Manche Wühlmäuse (hier zwei Exemplare der Spezies Feldmaus) gehen lieber auf Tuchfühlung als andere. Eine Studie versuchte nun, herauszufinden, ob dies eher an Bevorzugungs- oder Vermeidungshaltungen liegt.
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Manche Menschen haben ein größeres Bedürfnis, Kontakt zu Familie und Freunden zu suchen. Und so ähnlich scheint das auch auf Wühlmäuse zuzutreffen, wie die Forschungsarbeit eines US-amerikanischen Teams zeigt: Während manche Individuen mit Vorliebe die Nähe anderer Tiere suchen, finden andere solche Artgenossen auf Kuschelkurs gerade einmal tolerierbar. Anstatt sich zu erkunden, ob eine Person eher introvertiert oder extrovertiert ist, könnte man in Zukunft auch fragen: Bist du eher wie eine Prärie- oder eine Wiesenwühlmaus?

Denn im Durchschnitt lassen sich Unterschiede zwischen diesen beiden Wühlmaus-Arten – und auch zwischen Geschlechtern – feststellen, wie das Forschungsteam um die Biologin Annaliese Beery im Fachblatt "eLife" schreibt. Über die nordamerikanische Präriewühlmaus ist beispielsweise bekannt, dass sie langanhaltende Beziehungen zu Artgenossen eingehen, mit Fortpflanzungspartnern sowie mit gleichgeschlechtlichen Individuen. Etwas anders tickt die Wiesenwühlmaus, die ebenfalls in Nordamerika verbreitet ist. Sie bilden Zweckgemeinschaften, um den Winter zu überstehen, während sie in den warmen Monaten eher auf Distanz gehen.

Harte Arbeit für körperliche Nähe

"Wir wollten bestimmen, warum Wühlmäuse dieser beiden Spezies Zeit mit sozialen Kontakten verbringen", sagt Beery, die das Projekt im Smith College in Massachusetts leitete und mittlerweile an der University of California Berkeley forscht. Dafür bereitete das Forschungsteam ein Experiment vor, indem sie die Mäuse zunächst darauf trainierten, einen Mechanismus zu betätigen, um mit Essen belohnt zu werden. Dann änderten sie die Belohnung: Statt Nahrung bekamen sie Zugang zu einer ihnen bekannten Wühlmaus derselben Spezies, oder aber zu einer fremden. Mit der Zeit mussten die Tiere den Mechanismus häufiger in Folge betätigen, um den Artgenossen besuchen zu können.

"Es gab auffällige Arten- und Geschlechtsunterschiede bei den Wühlmäusen, für die die Tiere hart arbeiteten, um ihnen nahe zu sein", sagt Beery. Während weibliche Präriewühlmäuse mehr Aufwand betrieben, um ihnen bekannten Tieren nah zu sein, zeigten ihre Männchen keine derartige Bevorzugung. Stattdessen bemühten diese sich intensiver um Weibchen als um andere Männchen. Im Gruppenverband kuschelten die männlichen Tiere jedoch durchaus mit Individuen, die sie kannten.

Präriewühlmäuse (auf diesem Foto zu sehen) sind deutlich sozialer als ihre Verwandten, die Wiesenwühlmäuse.
Foto: Beery Lab

Wenig motivierte Wiesenwühlmäuse

Anders sah es wie erwartet bei den Wiesenwühlmäusen aus, bei denen im Rahmen der Studie allerdings nur Weibchen untersucht wurden. Sie bemühten sich nicht so intensiv wie die Präriespezies darum, in die Nähe der ihnen bekannten Tiere zu gelangen. Sie bevorzugten zwar Freunde und Familienmitglieder im Vergleich zu Unbekannten, diese Interaktionen stellten aber keine besonders große Motivation für sie dar.

Dass bekannte Tiere bevorzugt werden, ist keineswegs der Regelfall, der für alle Mäusearten oder Ratten zutrifft. In vielen Experimenten interessieren sich Ratten beispielsweise eher für noch unbekannte Individuen. Es sei jedoch auch erwähnt, dass bei dieser Studie die Stichprobe eher klein war: Getestet wurden vier Gruppen à acht Präriewühlmäuse und nur eine Gruppe Wiesenwühlmäuse zum Vergleich.

Hormoneller Einfluss

Warum manche Individuen geselliger sind als andere, hängt offenbar auch mit dem Hormon Oxytocin zusammen. Tiere mit mehr Oxytocin-Rezeptoren in einem bestimmten Teil des Gehirns, dem Nucleus accumbens, arbeiteten in der Studie härter dafür, in sozialen Kontakt zu kommen. Dieser dürfte eine Rolle im Belohnungssystem spielen. In einem anderen Teil des Gehirns hat eine hohe Dichte dieser Rezeptoren aber eine andere Wirkung: Im Bereich des Nucleus striae terminalis, der wohl in Zusammenhang mit Stress steht, sorgt eine hohe Rezeptorendichte bei den Tieren eher für aggressives Verhalten gegenüber anderen.

Die Studie zeigt, dass die selektive Wahl der Mäuse einerseits durch Vermeidung bestimmter Mäuse hervorgerufen wird, andererseits durch das Fehlen einer besonderen Vermeidungshaltung. Gleichzeitig kann der Drang, sich zu (manchen) Mäusen zu gesellen, auch eine soziale Belohnung darstellen.

Entwicklung von Verhaltensmustern

"Bestimmte Mechanismen, wie soziale Beziehungen unterstützt werden, ähneln oder unterscheiden sich bei verschiedenen Arten und Geschlechtern – wenn wir mehr darüber wissen, hilft uns das beim Verständnis, welche Mechanismen allgemeingültig sind und welche artspezifisch", sagt Beery. "Diese Erkenntnis kann wiederum helfen, zu verstehen, wie sich arttypische Muster sozialen Verhaltens im Laufe der Zeit entwickeln."

Daher ist es nützlich, verwandte Arten wie die beiden Wühlmausspezies zu untersuchen. Und selbst die verhalteneren Wiesenwühlmäuse sind vor hormonellen Umschwüngen im Laufe der Jahreszeiten schließlich nicht gefeit: Zu Beginn des Winters wie auch am Ende verändern sich bei ihnen Rezeptordichte und Sozialverhalten. (sic, 3.11.2021)