Was ist ein gutes Gehalt? Auf diese Frage kann es keine eindeutige Antwort geben, denn "gut" entspricht genauso wie "fair" einem subjektiven Empfinden. Und trotzdem sollten sich auch Arbeitgeber dieser Frage widmen und versuchen, sie unter möglichst vielen Aspekten zu beleuchten. Schließlich wollen sie die bestgeeigneten Mitarbeitenden finden und halten.

In erster Linie dient das Einkommen der materiellen Absicherung. Und damit garantiert es eines der menschlichen Grundbedürfnisse: die Sicherheit. Erst wenn Menschen das Gefühl haben, ihr Gehalt sichert ein einigermaßen sorgenfreies Leben – Miete bezahlen, Kindern Ausbildung ermöglichen, Geld für Notfälle zurücklegen, im Krankheitsfall finanziell abgesichert sein und sich hin und wieder Freizeitaktivitäten wie Urlaube leisten können –, erst dann wird man das Gehalt zumindest als "okay" empfinden. Von "gut" sind wir da noch entfernt.

Was ist ein gutes Gehalt? Auch Arbeitgeber sollten sich diese Frage stellen.
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Wie viel macht glücklich?

Bei dieser Frage landet man unweigerlich beim Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman und seinem Co-Autor Angus Deaton, die 2008/2009 450.000 US-Amerikaner befragt haben, wie viel sie verdienen und wie sie sich am Vortag gefühlt haben. Ihre Erkenntnis: Wer mehr verdient, ist für gewöhnlich auch glücklicher, aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Ab einem Haushaltseinkommen von brutto 75.000 Dollar (umgerechnet 60.000 Euro) bleibt die Einschätzung des persönlichen Glücks mit jedem zusätzlich verdienten Dollar gleich.

Aber Achtung, diese Befragung liegt über zehn Jahre zurück. 60.000 Euro sind heute nicht mehr so viel wert wie damals, da die Preise im gleichen Zeitraum allein in Österreich um über 30 Prozent gestiegen sind. Und das Gehaltsniveau der USA ist nicht mit dem österreichischen vergleichbar: Das Brutto-Median-Gehalt lag 2020 bei 67.521 US-Dollar, während das österreichische Bruttomediangehalt 2019 für Vollzeitbeschäftigte 43.719 Euro betrug.

Es mag einen abnehmenden Grenznutzen bei Gehaltssteigerungen geben, allerdings müsste die Höhe, wann er einsetzt, neu eruiert werden. So hat der Psychologe Matthew Killingsworth von der University of Pennsylvania in einer aktuellen Studie herausgefunden, dass das tägliche emotionale Wohlempfinden mit wachsendem Haushaltseinkommen ansteige, und das weit über eine Summe von 80.000 US-Dollar hinaus – ohne oberen Grenzwert. Die Erklärung: Reiche Menschen hätten das Gefühl, mehr Kontrolle über ihr Leben zu haben.

Geld ist nicht alles

Österreich war 2020 laut dem Statistik-Portal Statista gemessen am Bruttoinlandsprodukt das zehntreichste Land Europas – und das 14.-reichste Land weltweit. Auch wenn wir in einem reichen Land mit einigermaßen hohen Gehältern leben, so zählt nur die subjektive Antwort jedes Einzelnen, wie gut das eigene Gehalt empfunden wird.

Hinzukommt, dass nur ein gutes Gehalt allein nicht ausreicht, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter langfristig zu halten, wie Umfragen belegen. Der Personaldienstleister Randstad US hat im Juni 2020 eine Studie nach Altersklassen unterteilt und herausgefunden, wie wichtig regelmäßige Gehaltserhöhungen sind, um im Unternehmen bleiben zu wollen. Das Ergebnis: Millennials (geboren zwischen 1986 und 1995) sind Gehaltserhöhungen im Vergleich zu anderen Altersgruppen am wichtigsten – und trotzdem sagen in dieser Umfrage 64 Prozent, dass sie eher eine Position annehmen würden, in der sie positiv gefordert würden und sich beruflich entfalten könnten, als einen Job mit mehr Gehalt, aber ohne persönliche Wachstumsmöglichkeiten. Eine weitere Umfrage aus 2021 des Personaldienstleisters Zenjob zeigt, dass auch die jüngere Generation Z (geboren ab 1996) Ehrlichkeit und offene Kommunikation in der Unternehmenskultur vor ein gutes Gehalt an erster Stelle reiht.

Und was heißt das für Firmen? Arbeitgeber sollten sicherstellen, ihren Beschäftigten faire und marktkonforme Gehälter zu zahlen, und gleichzeitig nicht vergessen, dass das Einkommen lediglich die Spitze des Eisbergs bedient. Echte Anreize und langfristige Mitarbeiterzufriedenheit entstehen durch persönliche berufliche Wachstumsmöglichkeiten für jede und jeden Einzelnen in einer Kultur der Fairness und Inklusion – unabhängig von Alter, Behinderung, Geschlecht, Nationalität und Status. (Martina Ernst, 23.11.2021)