Um Erektionsprobleme und kosmetische Gliedkorrekturen geht es vor einem Schöffensenat am Landesgericht für Strafsachen Wien.

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Wien – Der im Zusammenhang mit Antikörpertests in Tirol in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit geratene Mediziner Ralf Herwig muss sich seit Mittwoch in einer anderen Causa vor einem Schöffengericht unter Vorsitz von Thomas Kreuter in Wien verantworten. Die Staatsanwältin wirft dem 56-jährigen Urologen schwere Körperverletzung und schweren Betrug vor. Er soll von 2013 bis 2017 bei sechs seiner Patienten falsche Diagnosen bezüglich der Ursache ihrer Erektionsstörungen gestellt und sie falsch behandelt haben.

Der unbescholtene Angeklagte und sein Verteidiger Nikolaus Rast weisen die Vorwürfe der Anklägerin vehement zurück. Sein Mandant sei "einer der führenden Experten" auf seinem Gebiet, argumentiert Rast. Es herrsche auch unter den medizinischen Sachverständigen keine Einigkeit, ob Herwig korrekt behandelt habe oder nicht. Und überhaupt: Es habe sich um keine "Heilversuche" gehandelt, wie die Staatsanwältin sage, in Deutschland würde es sogar Krankenkassen geben, die diese Eingriffe bezahlen.

Ungewöhnliches Anschauungsobjekt

Vorsitzender Kreuter nimmt sich viel Zeit, um den auf "nicht schuldig" plädierenden Angeklagten zu vernehmen, der Deutsche nimmt diese Möglichkeit dankend an. Die Einvernahme hat einen gewissen Unterhaltungswert, allzu oft kommt es schließlich nicht vor, dass bei einem Strafprozess eine Penispumpe demonstriert wird. Die wäre nämlich die Alternative für seine Patienten gewesen, erklärt Herwig sein Anschauungsobjekt.

Er habe aber nur in drei der sechs angeklagten Fällen operiert, verteidigt sich der Arzt, in anderen Fällen habe er auf Medikamente gesetzt oder Psychotherapie empfohlen. Später erhöht er die Zahl der chirurgischen Eingriffe auf vier. "Warum waren manche Patienten danach nicht zufrieden?", will der Vorsitzende wissen. "Das frag ich mich auch", repliziert der Angeklagte. Er gibt den Männern zum Teil Mitschuld – so habe einer die vorgesehene dreiwöchige Abstinenz von jeglicher sexuellen Aktivität nicht eingehalten, ein anderer sei nicht zur Nachbesprechung erschienen. Zwei der Betroffenen leiden laut Anklage an schweren Dauerfolgen – erektiler Dysfunktion –, zwei weitere Männer können nicht mehr befragt werden, da sie nach den Komplikationen Suizid begangen haben.

"Nichts für einen Lehrling"

Herwig beteuert, nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und die Patienten auch über Risiken und mögliche Behandlungsfehlschläge aufgeklärt zu haben. Den Einwand der Staatsanwältin, dass vor den Operationen beispielsweise keine Blutbefunde erhoben wurden, negiert der Angeklagte: Erstens sei dafür der Anästhesist zuständig, außerdem sei der Schnitt in das primäre Geschlechtsorgan und die Abbindung von Venen mit der Entfernung eines eingewachsenen Daumennagels vergleichbar. Keine große Sache also.

Sein berufliches Licht will Herwig dann aber doch nicht unter den Scheffel stellen: Einem der Privatpatienten, der nach einer missglückten Penisverlängerung und -verdickung jahrelang an Schmerzen litt, habe er mit einer Operation geholfen. "Das ist nichts für einen Lehrling", merkt der eloquente Angeklagte zu diesem Eingriff an.

Da der für die Anklage entscheidende Sachverständige aufgrund einer Terminkollision nicht auftreten kann und der Angeklagte die nächsten Monate verhindert ist, wird das Verfahren auf den 16. Februar 2022 vertagt. (Michael Möseneder, 3.11.2021)