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Christian Schmidt, der Hohe Repräsentant für Bosnien-Herzegowina.

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Er durfte nicht einmal seine vorbereitete Rede halten und wurde wie ein ungebetener Gast behandelt. Der neue Hohe Repräsentant für Bosnien-Herzegowina, der von Angela Merkel installierte Ex-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt, wollte am Mittwoch in New York im UN-Sicherheitsrat darlegen, weshalb sich Bosnien-Herzegowina wegen der Attacken des rechtsradikalen Nationalisten Milorad Dodik auf die Integrität und Souveränität des Staates in der schlimmsten, existenziell bedrohlichen, Situation seit Ende des Kriegs befindet. Stattdessen wurden sein Name und Amt durch das Betreiben Russlands aus dem Text zur Verlängerung der Militärmission Eufor-Althea herausgestrichen.

Russland sorgte Diplomaten zufolge dafür, dass der Bericht des Hohen Repräsentanten mit einem anderen Bericht des – de facto von Dodik – autokratisch regierten Landesteils Republika Srpska gleichgesetzt wurde. Dieser Bericht, in dem steht, dass der Hohe Repräsentant "illegal" sei und dass die Republika Srpska das Recht habe, alle Kompetenzen an sich zu ziehen, wurde jetzt durch das Agieren Moskaus zu einem offiziellen UN-Dokument.

Eufor-Mission verlängert

Dass Russland so weit gehen konnte, dürfte als Zugeständnis gewertet werden, damit die Vetomacht im UN-Sicherheitsrat für die Fortführung der Militärmission Eufor im Land stimmte. Das Mandat der maßgeblich vom österreichischen Bundesheer getragene Sicherheitsmission wurde am Mittwoch Möglich für ein weiteres Jahr verlängert.

"Wegen der Identitätskrise der Nato und der EU wird der westliche Balkan Russland auf dem Tablett als Aperitif serviert", meinte die bosnische Politikerin Sabina Ćudić von der bürgerorientierten Naša stranka (Unsere Partei) zu dem Geschehen. Russland hatte bereits im Juli versucht, das Mandat von Schmidt bis 2022 zu begrenzen. Die Tatsache, dass er nun zur Seite gedrängt wird, schwächt seine Legitimation weiter und stärkt Dodik.

Neue Nato-Mitglieder

Der britische Historiker und Bosnien-Experte Marko Attila Hoare erinnert angesichts der aktuellen Bedrohung des Staates Bosnien-Herzegowina, dass die Westmächte in den 1990er-Jahren nur sehr langsam gegen den Angriff auf den Staat und die Verbrechen vorgingen. Er verweist auch darauf, dass die Nato nun neue Mitglieder hat, "die wahrscheinlich mit einer abgespaltenen Republika Srpska sympathisieren, insbesondere Kroatien, Slowenien und Ungarn". Er vermutet zudem, dass Frankreich und Deutschland im Ernstfall mit Russland kooperieren würden.

In Sarajevo haben viele Bürger Angst vor dem Krieg. Zahlreiche unbestätigte Gerüchte, auch von Bewaffnungen, machen die Runde. Aber es formieren sich auch zivilgesellschaftliche Initiativen. Am Dienstag kritisierte eine Gruppe von Bosniaken, Serben und Kroaten gemeinsam die "prinzipienlosen Haltungen, Botschaften, Anweisungen, Vorschläge und Aktivitäten" von Diplomaten, die mit den Chefs der ethnonationalistischen Parteien verhandelten und so die demokratischen Institutionen und das Friedensabkommen untergraben würden. Sie verurteilten auch die Einmischung Kroatiens und Serbiens in die inneren Angelegenheiten ihres Landes.

Vielfalt von Vorteil

Dass diese Einmischung von der EU gebilligt werde, sei eine weitere Bestätigung dafür, dass im Fall von Bosnien-Herzegowina mit zweierlei Maß gemessen werde. Das Papier endet mit dem Satz: "Bosnien-Herzegowina ist seit Hunderten von Jahren ein multikonfessionelles und multinationales Land, in dem der Reichtum der Vielfalt von Vorteil ist. Die Einheit der Vielfalt ist noch heute weitgehend die Lebensform darin." (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 3.11.2021)