Protestaktionen vor den Toren der Collini-Gruppe von Arbeitgeber-Chefverhandler Johannes Collini ließ sich die Gewerkschaft zum Auftakt der Warnstreiks am Mittwoch nicht entgehen.

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Wien – Es werde vor Dienstag "ganz sicher" Gespräche geben. So hart sich die Arbeitgeber in der Metallindustrie am Morgen nach dem Abbruch der Lohnverhandlungen auch geben, Produktionsunterbrechungen will man offenbar doch nicht riskieren. Diesen Eindruck verstärkt ein Rundruf unter Unternehmen der Maschinenbau- und Metallwarenindustrie.

Noch fehlen offizielle Aussagen, aber die Richtung ist klar erkennbar. Die Drohung der Gewerkschaft mit stundenweisen Arbeitsausständen ab Dienstag ist ernst gemeint, und als solche wird sie auch wahrgenommen. Laut Regiebuch werden zunächst bis Freitag in 350 Unternehmen der Metallindustrie die vorige Woche unterbrochenen Betriebsversammlungen wiederaufgenommen und von 9. bis 11. November, also ab Dienstag, befristete Warnstreiks beschlossen.

Vor allem seitens der noch in Verhandlungen steckenden Branchen wie Bergbau/Stahl und Nichteisenmetalle (Aluhersteller) kam Druck, doch noch einen Abschluss "hinzukriegen", wie es einer aus dem Arbeitgeber-Verhandlungsteam formulierte. Auf Produktionsausfälle verzichte man gern. Ein Termin steht aber noch nicht fest.

Kein Spaziergang

Ein Spaziergang wird diese ultimative Verhandlungsrunde wohl eher nicht. Denn es waren mehr als vier Zehntelprozentpunkte, die die Verhandlungspartner trennten, als die Gewerkschafter rund um Rainer Wimmer und Karl Dürtscher in der Nacht auf Mittwoch aufstanden und die Lohnrunde abbrachen.

Ausgangspunkt dieser Rechnung ist die sogenannte Benya-Formel, benannt nach dem Langzeitvorsitzenden des ÖGB. Sie besteht aus der Inflationsrate (in dem der Lohnrunde vorangegangenen Jahr) und einem Anteil am erwirtschafteten Produktivitätsfortschritt. Dieser Mischsatz ergibt heuer rechnerisch 3,15 Prozent, womit nicht nur die Zielgröße der Gewerkschaft klar ist, sondern sich auch das mit 2,75 Prozent eindeutig darunter liegende vorläufig letzte Angebot seitens des Fachverbands der Metalltechnischen Industrie (FMTI) erklärt. "Die wirtschaftliche Entwicklung lässt – wenn man vernünftig agiert – keinen höheren Abschluss zu", stellte der FMTI-Obmann Christian Knill noch in der Nacht klar. Da schwingt eine Menge Unsicherheit betreffend 2022 mit.

Eskalation kaum begründet

Unverwundbar stark sei die Konjunktur tatsächlich nicht, attestiert ein Makroökonom, der sich zu laufenden Lohnverhandlungen nicht offiziell äußern will. Aber Wachstum sei zweifellos gegeben. Da höhere Rohstoff- und Energiepreise im Absatz zumindest teilweise untergebracht werden können, spreche für eine gewisse Robustheit des Aufschwungs. Einen sachlichen Grund, eine Lohnrunde derart zu eskalieren, vermag er deshalb nicht zu erkennen. Dafür lägen die Positionen schlicht nicht weit genug auseinander. "Es ist ein Machtspiel", sagt der Konjunkturexperte. Mit viel Theaterdonner.

Eine Hauptrolle in dem Stück spielt die Teuerung, sie erreichte im Oktober mit 3,5 Prozent ungewohnte Höhen – und diesen Verlust an Kaufkraft wollen die Gewerkschafter abgegolten sehen.

Preisauftrieb trifft alle

Genau das ist die Crux, denn eine Inflationsabgeltung auf Basis von Prognosen entspricht nicht der Tradition. Wenn die Inflation immer im Nachhinein abgegolten wurde, dann sollte man dabei bleiben, mahnt der Wirtschaftsforscher. Er räumt allerdings ein, dass die aktuell hohen Preissteigerungen auch nicht einfach ausgeblendet werden könnten, schließlich dürfte die – je nach Institut – zwischen 2,3 und drei Prozent prognostizierte Jahresinflationsrate im Jahr 2022 nach oben revidiert werden müssen. Die CO2-Steuer werde die Teuerung antreiben, die Energiepreise dürften sich auf hohem Niveau stabilisieren.

Ein Vierer, aber nur kurz

Für diese These spricht der von der Gewerkschaft abgeschmetterte Vorschlag der Arbeitgeber, Löhne und Gehälter der 130.000 Metallarbeiter und Industrieangestellten der 1200 FMTI-Betriebe um vier Prozent zu erhöhen, im Gegenzug aber im Jahr darauf nur eine Einmalzahlung zu gewähren. Ernsthaft ins Kalkül gezogen wurde dieser Mehrjahresabschluss allerdings nicht, die große Verhandlungsrunde mit Gewerkschaftern und Betriebsräten lehnte dies als nicht nachhaltig ab.

Als wäre das nicht genug, dürfte auch die Chemie zwischen den Chefverhandlern, also Wimmer und Johannes Collini vom gleichnamigen Metalloberflächenveredler Collini, nicht stimmen. "Wir waren abschlussbereit. Die Gewerkschaften haben sich leider auf ein unrealistisches Forderungspaket festgelegt", stellte FMTI-Obmann Knill lapidar fest. Das verneinen die Arbeitnehmervertreter, sie sehen die Auftragsbücher gefüllt, die Wirtschaft in Hochkonjunktur und die Inflation auf einem Rekordhoch. (Luise Ungerboeck, 4.11.2021)