Der größte Zyklon im Sonnensystem gibt immer noch Rätsel auf.
Foto: Nasa

Er ist Jupiters Markenzeichen und gleichzeitig der größte bekannte Wirbelsturm des Sonnensystems: Der Große Rote Fleck liegt etwa 22 Grad südlich des Gasriesen-Äquators und ist seit mindestens 200 Jahren bekannt. Es existieren allerdings Hinweise, dass er schon 1664 erstmals durch den Engländer Robert Hooke beobachtet worden ist. Das könnte bedeuten, dass das gigantische Sturmsystem seit über 350 Jahren tobt.

Obwohl das Phänomen in den vergangenen Jahrzehnten von mehreren Raumsonden und mit Teleskopen von der Erde aus detailliert studiert worden ist, geben viele Prozesse, die sich in diesem Wirbel abspielen, nach wie vor Rätsel auf. So konnte bis heute nicht einwandfrei geklärt werden, wie der Fleck mit seinem rund 1,3-fachen Durchmesser der Erde zu seiner roten Farbe kommt. Einige Studien legen nahe, dass er eigentlich weiß sein müsste. Vielleicht handelt es sich gleichsam um einen "Sonnenbrand" – das zumindest legt eine Studie aus dem Jahr 2015 nahe.

Stabiler Sturmgigant

Zuletzt zeigten Beobachtungen, dass der Wirbelsturm langsam schrumpft. Einige Planetologen prophezeiten in den vergangenen Jahren gar, das er gänzlich verschwinden könnte. Eine Analyse von Forschern der University of California, Berkeley, kam vor zwei Jahren allerdings zu dem Schluss, dass der Sturm letztendlich mit unveränderter Intensität weitertobt; dass er sich auflösen könnte, sei demnach zumindest für die nächsten Jahrhunderte nicht zu erwarten.

Nun haben Beobachtungen der Nasa-Sonde Juno, die seit Juli 2016 im Jupiter-System kreist, dem lückenhaften Bild der turbulenten Gasriesen-Atmosphäre einige aufschlussreiche Mosaiksteinchen hinzugefügt. Die im Fachjournal "Science" präsentierten Ergebnisse geben Aufschluss darüber, was genau sich unterhalb der Wolkendecke von Jupiter abspielt.

Überraschende Erkenntnisse

"Von Anfang überraschte uns Juno mit der Erkenntnis, dass die Vorgänge in der Atmosphäre des Jupiter deutlich tiefer reichen als ursprünglich erwartet", sagt Scott Bolton vom Southwest Research Institute in San Antonio, Texas, der Hauptautor des Artikels. "Wir beginnen gerade erst, die Puzzleteile zusammenzusetzen, um ein dreidimensionales Verständnis davon zu entwickeln, wie Jupiters Atmosphäre funktioniert."

Die Wirbelstürme Jupiters reichen tiefer hinab als gedacht.
Foto: NASA/SwRI/MSSS/Gerald Eichstädt/Seán Doran

Größer und tiefer

Die relevantesten Daten dafür lieferte Junos Mikrowellenradiometer, ein Instrument, das es den Wissenschaftern ermöglicht, unter die Wolkendecke des Jupiter zu blicken und die Struktur seiner Wirbelstürme zu untersuchen. Die neuen Ergebnisse zeigen, dass Jupiters Zyklone im oberen Bereich wärmer und von niedrigerer atmosphärischer Dichte sind. Tief unten dagegen sind sie kälter und deutlich dichter. Antizyklone dagegen, also Stürme, die gegenläufig rotieren, sind oben kälter und unten wärmer.

Die Resultate deuten darauf hin, dass diese Stürme viel größer sind und tiefer reichen als erwartet. Offenbar erstrecken sie sich mehrere hunderte Kilometer unter die Wolkendecke. Das dürfte insbesondere auf den Großen Roten Fleck zutreffen: Die Daten zeigten, dass der Wirbelsturm mindestens 500 Kilometer in die Tiefe reicht. Das bedeutet letztlich auch, dass sich die Jupiterstürme unter jene Regionen erstrecken, in denen Wasser und Ammoniak kondensieren, Wolken entsteht und die Sonnenwärme noch Einfluss haben könnte.

Schwerkrafteinfluss des Großen Roten Flecks

Schwerkraftmessungen durch Juno bestätigten diese Daten: Als die Sonde mit einer Geschwindigkeit von 209.000 Kilometer pro Stunde über Jupiters Wolkendecke hinwegflog, ließ sich aus eine Geschwindigkeitsänderungen von nur 0,01 Millimeter pro Sekunde über dem Großen Roten Fleck schließen, wie tief der Wirbel tatsächlich reicht.

"Die Präzision, die erforderlich ist, um den Schwerkrafteinfluss des Großen Roten Flecks während des Vorbeiflugs im Juli 2019 zu erfassen, ist atemberaubend", sagt Marzia Parisi, Wissenschafterin der Juno-Mission vom Jet Propulsion Laboratory der Nasa. "Die Möglichkeit, die Ergebnisse des Mikrowellenradiometers über die Tiefe zu ergänzen, gibt uns große Zuversicht, dass zukünftige Gravitationsexperimente am Jupiter ebenso faszinierende Ergebnisse liefern werden." (tberg, 4.11.2021)