Die Stabilität von Bäumen ist erstaunlich. Seine Stärke verdankt das Holz dem Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände, der Cellulose. Deren kleinste Struktureinheit, sogenannte Cellulose-Nanofibrillen, gehören zu den stärksten bekannten Polymeren. Wiener Forscher stellen nun mit Kollegen im "Journal of the American Chemical Society" einen reversiblen, nachhaltigen chemischen Prozess vor, der den Weg zur Entwicklung potenzieller Supermaterialien aus Cellulosefibrillen ebnet.

Hydrogel aus nativen Cellulose-Nanofibrillen und Elektronenmikroskopie-Aufnahme der Oberflächenstruktur (Bildausschnitt 1 µm).
Foto: Marco Beaumont / BOKU

Doch nicht irreversibel

Trotz eines Durchmessers von nur wenigen Nanometern gehören Cellulosefibrillen zu den stärksten bekannten Materialien. Ihr Potenzial konnte man bisher allerdings nicht uneingeschränkt nutzen: Denn der chemische Prozess, mit dem die Nanofasern isoliert werden, veränderte die Oberfläche der Fasern irreversibel. Dadurch wird die Wechselwirkung zwischen den einzelnen Nanofasern beeinträchtigt und "die Entwicklung potenzieller Supermaterialien einschränkt", schreiben die Forscher in der Arbeit.

Die Wissenschafter der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien haben nun mit internationalen Kollegen eine neue Methode entwickelt, um Cellulosefibrillen zu isolieren. Dabei kann anschließend die für die Vereinzelung notwendige chemische Veränderung der Oberfläche durch eine Nachbehandlung wieder rückgängig gemacht werden.

Rekonstruierte Verbindungstücke

Marco Beaumont vom Institut für Chemie nachwachsender Rohstoffe der Boku vergleicht den Prozess mit Spielbausteinen: "Wir verändern die Oberfläche und die Steine fallen auseinander und lassen sich danach nicht mehr richtig zusammenstecken – mit der von uns entwickelten Methode können wir im Anschluss den ursprünglichen Zustand wieder so herstellen, dass die Verbindungstücke wieder perfekt passen." Die Methode sei besonders mild und nachhaltig.

Indem die ursprünglichen chemischen und strukturellen Schnittstellen der Cellulosefibrillen wieder rekonstruiert werden, könne das volle Potenzial von Cellulose als nachhaltigem Baustein erschlossen werden, betonen die Forscher. (APA, 4.11.2021)