Der Schwierigkeitsgrad darf auch im zweiten Teil als knackig bezeichnet werden.

Foto: Red Hook

Finstere Kerker, unaussprechlich grässliche Monster, ein legendärer Schwierigkeitsgrad: kein Wunder, dass die Heldinnen und Helden des Rollenspiel-Hits "Darkest Dungeon" regelmäßig in Depression, Verzweiflung und Wahnsinn verfallen. Das 2015 als früher Early-Access-Darling erschienene Hardcore-RPG mit dem unnachahmlichen, vom Comicstil Mike Mignolas inspirierten Look gilt als ebenso originell wie einflussreich.

Auf seinen Nachfolger haben die Fans lange gewartet, vor kurzem ist "Darkest Dungeon 2" exklusiv im Epic Games Store erschienen – auch diesmal wieder im Early Access.

Red Hook Studios

Besserer Look

Die ersten vier ikonischen Heldenfiguren, mit denen man ins neue Abenteuer starten darf, kennt man aus dem Vorgänger, ansonsten hat sich einiges getan: Auf den ersten Blick fallen die behutsam in 3D-Modelle übersetzten Charaktermodelle auf, die den bekannt gelungenen Look dynamischer und auch hübscher machen. Diese Dreidimensionalität zeigt sich auch in der ersten wirklichen Neuerung: Statt von einem Dorf aus in immer gefährlichere Kerker abzusteigen, ist die Heldentruppe nun in der Postkutsche auf einem Roadtrip durch eine apokalyptische Gothic-Horror-Fantasy-Welt.

Die Kämpfe auf der gewohnten 2D-Bühne sind nach wie vor der mechanische Kern des Spiels, doch abseits davon hat sich viel getan. Nur an den raren Gasthäusern darf gerastet, gesteigert und rekrutiert werden, dann geht es zurück auf eine von mehreren zur Auswahl stehenden Wegstrecken durch eine Handvoll verschiedener Biome mit jeweils einzigartigen Monstern. Auf den sich gabelnden Routen steuert man die Postkutsche simpel von Hand und klappert Orte ab, an denen zufallsgeneriert Hilfe und Nachschub, aber auch Kämpfe warten; regelmäßig blockieren auch auf den Wegstrecken dazwischen Monster den Pfad.

Zusätzliche Fähigkeiten sorgen dafür, nicht gleich im ersten Gemetzel den Kürzeren zu ziehen.
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Die Hölle, das sind die anderen

Wieder spielt die psychische Gesundheit der eigenen Figuren eine große Rolle, nur dass diese jetzt nicht nur jede für sich mit ihrem Schicksal hadern, sondern dynamisch miteinander interagieren: Durch verschiedene Aktionen und auch zufällige Auslöser entwickeln sich intensive Beziehungen zwischen den Abenteurern. Verliebte oder einander ansonsten positiv verbundene Figuren springen einander im Kampf bei, wenn allerdings Hass und Missgunst herrschen, drohen negative Verhaltensspiralen: Eifersucht, weil der Heiler immer nur eine andere Figur bevorzugt, oder der Groll darüber, dass eine Figur einer anderen immer die Kills wegschnappt, können dazu führen, dass manche Aktionen verunmöglicht werden oder drastische Nervenzusammenbrüche auftreten.

Wenn das Klima in der Gruppe einmal vergiftet ist, kann nur an den seltenen Rasten im Gasthaus gegengesteuert werden; im schlimmsten Fall sorgt das Drama aber auch dafür, dass die Kutschenfahrt wegen entgleitender Kämpfe, plötzlicher Ausfälle und eskalierender Feindschaften an ein frühes Ende kommt. Dann geht es zurück an den Start, doch zum Glück ist nicht alles verloren: Jeder gefahrene Meter, jedes bewältigte Hindernis schaltet neue Gegenstände und auch Spielfiguren frei. Überdies bleiben an speziellen Schreinen freigeschaltete Skills auch nach dem Tod erhalten, sodass ein jeder Neustart mehr Möglichkeiten und damit größere Erfolgsaussichten bietet – wie es das moderne Rogue-like-Design etwa eines "Hades" vorgezeigt hat.

Haben die Spielfiguren starke Beziehungen zueinander, profitieren sie auch im Kampf davon.
Foto: Red Hook

Neues Konzept, alte Härte

Diese neu eingeführte Rogue-like-Struktur hat Vor- und Nachteile: Einerseits macht sie die Figuren von auswechselbarem "Menschenmaterial", das man wie im ersten Teil recht problemlos verschleißen und nachbesetzen kann, zu richtigen Charakteren, deren (Vor-)Geschichte an den Schreinen erzählt wird und deren Verlust nicht selten an den Start zurückwirft.

Andererseits ändert das aber auch den Grundcharakter des Spiels: Statt strategisch ebenso wie taktisch Stück für Stück, Expedition für Expedition auch mit partiellen Rückschlägen immer weiter an der großen Aufgabe zu knabbern, steht eine Abfolge einzelner "Runs", die bis auf das Meta-Progressionssystem miteinander wenig verknüpft sind. Das bedeutet auch, dass schon kleinere Patzer oder schlicht Pech zum Entgleisen eines Versuchs führen können: Wenn zwei Figuren sich auf einmal hassen oder einzelne Abenteurer das Zeitliche segnen, ist Abbruch oft die sinnvollste Option.

Die Herausforderung mag sich strukturell vom Vorgänger unterscheiden, in Sachen Schwierigkeitsgrad ist sie allerdings gewohnt knackig geraten. Vor allem zu Beginn, wenn die Auswahl an Charakteren und Gegenständen noch gering ist und kaum weitere Skills aufgedeckt wurden, sind die Kutschenfahrten oft kurz und enden brutal. Dass zudem auf einige Charaktere und ihre Skills gar nicht verzichtet werden kann, zeigt, dass vor allem in Sachen Balancing noch jede Menge Arbeit vor den kanadischen Entwicklern liegt: Wer etwa ohne die Pestärztin Paracelsus aufbricht oder darauf verzichtet, schon ganz zu Beginn einen speziellen Buff hochzuleveln, hat de facto keine Möglichkeit, Stressspiralen zu vermeiden.

Außen Hochglanz, innen Baustelle

Es ist vertrackt: "Darkest Dungeon 2" täuscht durch wirklich außergewöhnliche Präsentation, in Grafik und vor allem der Inszenierung mit Musik und Sprachausgabe, gewissermaßen einen Fertigstellungsgrad vor, der spielerisch noch weit entfernt ist. Von fünf geplanten Kapiteln darf man gerade einmal das erste spielen – bis man das erste Mal an dessen Ende kommt, vergehen aber gut und gerne zehn bis zwölf Stunden. Und auch dann gibt es mit Freispielen der letzten Charaktere und deren Skills noch jede Menge zu tun.

Schwerer als der jetzt im Vergleich zum geplanten Spiel noch bescheidene Umfang wiegen die erwähnten Balance-Probleme. Manche Skills erscheinen zumindest jetzt völlig nutzlos, während ohne andere kein Auskommen ist. Spielerisch interessanter wäre es wohl auch, wenn das Ruder nach einzelnen verpatzten Entscheidungen und Kämpfen leichter wieder herumgerissen werden könnte. Einzelne emotionale Trigger in konfliktbeladenen Beziehungen der Figuren zueinander wirken auch überzogen: Dass ein keinen einzigen Angriff führender Support-Charakter emotional eskaliert, weil ihm ein offensiver Frontkämpfer angeblich einen Kill wegschnappt, ist dann halt doch etwas albern.

Bei Händlern gilt es die richtigen Waren mitzunehmen, um im Kampf bestehen zu können.
Foto: Red Hook

Fazit

Genug Detailkritik: "Darkest Dungeon 2" ist nicht umsonst noch im Early Access, und auch der Vorgänger wurde im Lauf seiner Entwicklung noch in zahllosen derartigen Details zur Beinahe-Perfektion auch spielerisch auf Hochglanz poliert. Schon seit Erscheinen letzte Woche wurden einige besonders auffällige Balance-Probleme vom Entwickler behoben.

Wer jetzt schon einen Vorgeschmack auf einen Nachfolger haben will, der sich nicht mit der reinen Behübschung seines Erfolgskonzepts begnügt, darf durchaus schon zuschlagen und sich im Lauf des Jahres wieder und wieder an die versprochenen neuen, nach und nach dazukommenden Inhalte wagen.

In Sachen Präsentation ist dieses Spiel schon jetzt ein beeindruckender Fortschritt. Ob "Darkest Dungeon 2" seinen außergewöhnlich gelungenen Vorgänger schlussendlich auch spielerisch übertreffen wird, lässt sich noch nicht zweifelsfrei sagen; man darf es aber hoffen. Diese Early-Access-Baustelle ist schon jetzt ebenso unterhaltsam wie fordernd – und macht Lust auf mehr. (Rainer Sigl, 6.11.2021)