Die Gang of Misfits singt und performt, als wären sie aus einer Show von Busby Berkeley.

Foto: TimTom

Wien – Einem Theater, das um sich selbst kreist und in dem der Regisseur die Hauptrolle kriegt, und der dann in seinen ersten Sätzen gleich fünfzehnmal "Ich" sagt – so einem Theater muss dringend misstraut werden! So selbstverliebt! Und gibt es keine wichtigeren Themen? – Ja, schon! Nur hört eh keiner zu und wollen alle eh offenbar nur unterhalten werden. Sodass – und hier beginnt der Plot – der Regisseur beschlossen hat, seinen Job an den Nagel zu hängen und eine sozialpolitische Bewegung zu gründen.

Yoli Balulu and his Gang of Misfits heißt die jüngste Show der englischsprachigen Wiener Theatergruppe Toxic Dreams, eine zweistündige Selbsterklärung eines Regisseurs, der gewisse Ähnlichkeit mit dem real existierenden Yosi Wanunu nicht verleugnen kann. Vor einer stufenförmigen Showbühne wird er (Markus Zett) von der Journalistin Greta Applebaum (Anat Stainberg) via Telefon ausführlich interviewt. Wobei sich seine Antworten auf den Podesten hinter ihm sogleich in allen Farben szenisch manifestieren.

Flunker-Biografie

Greta will ein Porträt schreiben, an dem ihre Herausgeberin mit Namen Bernhard Thomas (sic!) ständig herummosert und dem Ganzen Irrelevanz vorwirft. Wie also den Werdegang und die Konflikte eines Wiener Theaterregisseurs "hochjazzen"? Er selbst ist dafür die größte Hilfe und beginnt sogleich, seine Biografie turbulenter, seine vielsagenden Albträume noch gigantischer zu präsentieren. Wobei der maßgebliche Witz der Interviewführung auch im Abdriften liegt.

Tempo ist alles. Kaum hat der Künstler vorn an der Rampe am Mikrofonständer einen Gedanken gefasst, läuft hinten dazu auch schon die Illustrationsmaschine an. Und die hat Fantastisches zu bieten. Dieser Typ hat mit seiner in diversen Rollen und Albtraumerscheinungen agierenden Misfits-Gang wahrlich die handwerklich beste Showtruppe der freien Szene zu bieten: Susanne Gschwendtner, Isabella Händler, Stephanie Cumming, Florian Tröbinger, Anna Rot und Nina Fog.

Sie betätigen sich inbrünstig singend, sie reenacten Charles Chaplin und mimen ihre Vergangenheit als Studierende in der Pornomeisterklasse am Reinhardt-Seminar. It’s about textphobia! Ja, auch das Skript zu dieser Genremixshow aus Revue, Parodie und Slapstick dreht megamäßig auf. (afze, 5.11.2021)