Der Wiener Weihnachtsbaum bei seiner Aufstellung vor dem Rathaus am vergangenen Mittwoch.

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Der Wiener Weihnachtsbaum, noch etwas praller, an seinem Ursprungsort.

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Der Baum kommt bestimmt, und mit ihm auch der Spott: Kaum steht der alljährliche Weihnachtsbaum auf dem Wiener Rathausplatz gerade, muss er sich zugleich seiner Beurteilung stellen. Und diese fällt in der Stadt mit dem Hang zum Raunzen tendenziell nicht so mild aus. Auch dieses Jahr überschlug man sich unter anderem in den sozialen Medien mit Witzchen über das tatsächlich etwas karge Exemplar vor dem Rathaus. Ob dieses ein Mahnmal für die Klimarettungsbewegung sei, scherzen die einen. "Bisschen viele Äste für einen Maibaum, aber sonst sehr schön!", ziehen ihn die anderen auf.

Nicht nur in Wien, auch in anderen Großstädten wie etwa New York rümpft man verlässlich die Nase ob des angeblich nicht so ansehnlichen Aussehens der Weihnachtsbäume. Jahr für Jahr kommt die Verwaltung hier wie dort anschließend nicht darum herum, ihrer Stadtbevölkerung zu erklären, dass die schönsten und prächtigsten Kandidaten nun einmal nicht in der Großstadt heranwachsen. Die Bäume müssen zunächst in die Stadt befördert werden, was erstens seine Zeit dauert und zweitens nicht immer ohne Schäden vonstattengeht: Sie sind riesig und meist schon sehr alt. Fiel der Herbst trocken aus, macht sie das noch gebrechlicher. Deshalb machen sich unmittelbar nach der Baumankunft die Wiener Stadtgärtner der MA 42 flugs daran, die Makel zu kaschieren.

Aufhübschung der Bäume

Sie überprüfen und ergänzen für einen gleichmäßigen Look: Hat der Baum beim Umlegen oder beim Transport Äste verloren, werden diese mit Schrauben und Draht wieder befestigt. Wo die Witterung Lücken im Geäst hinterlassen hat, werden die eigens mit dem Baum mitgelieferten Äste angebracht. Für diese Auffrischung ist in der Hauptstadt der Stützpunktchef der Wiener Stadtgärten im ersten Bezirk und Rathauspark zuständig. Seit zwei Jahren ist das Dominik Heinrich, davor war er stellvertretend zuständig. Sein Team besteht momentan aus zehn Mitarbeitern, im Sommer sind es doppelt so viele. Ihr Kerngeschäft ist üblicherweise die Pflege von Gärten und Parks – Unkraut jäten, Baumpflanzungen, solche Dinge. "Einmal im Jahr habe ich die Ehre, zu fassonieren", sagt Heinrich. Der Ton in Heinrichs Stimme verrät, dass dieser Part seiner Arbeit nicht sein liebster ist. Die alljährliche Aufregung verwundere ihn immer wieder aufs Neue. "Jedes Bundesland kümmert sich, so gut es eben geht. Manchen gelingt es besser, manchen weniger gut", sagt er.

Seit 1959 schickt jedes Jahr ein anderes Bundesland inklusive Südtirol einen Baum in die Hauptstadt. 30 Meter hoch und zwischen 150 und 180 Jahre alt ist der diesjährige stachelige Gast, der heuer aus dem Burgenland stammt. Ehe ein Baum vom Wiener Bürgermeister in Empfang genommen wird, muss er zunächst einmal den Kriterien entsprechen: Er muss groß, darf aus statischen Gründen aber nicht zu groß sein, er soll massiv sein, aber gleichzeitig schlank genug, um auf den Sattelschlepper und dann in die Vorrichtung auf dem Rathausplatz zu passen. Ausgesucht wird der passende Baum von den Landesforstdirektionen. Der Baum, der in Wien als unansehnliche "Staudn" verhöhnt wird, stand ursprünglich 130 Jahre lang in den weitläufigen Esterházy-Wäldern des Rosaliengebirges. "Und zwar auf Wieser Hotter", sagt Matthias Weghofer mit dem vom ungarischen "határ" entlehnten burgenländischen Wort für Gebiet, "und da sah er sehr ordentlich aus."

Aber freilich, meint Weghofer, sei es ein Unterschied, ob man eine 20-Meter-Fichte fälle oder eben ein solches 30-Meter-Trumm: "Wir haben einen wunderschönen Zwölf-Meter-Baum vorm Rathaus." Und außerdem: "Es kommt schon auch darauf an, wie der Baum fotografiert wird." Gleich nach dem Transport sei er halt auch ramponiert, "die Leute haben ja viele Äste aushacken müssen".

Baumspende aus dem Burgenland

Sehr ernst nimmt der Bürgermeister der Baumspendegemeinde den Unmut aus der Hauptstadt freilich eh nicht. "Das war ja voriges Jahr nicht anders. Das Raunzen und Matschkern gehört nicht nur in Wien dazu." Man sollte es nur nicht gleich übertreiben mit dem gewohnheitsmäßigen Treeshaming: "Sonst spendet ja bald niemand mehr so einen Christbaum." Das Burgenland ist heuer 100 Jahre alt, das ist der Anlass der Baumspende.

Die Marktgemeinde Wiesen feiert ihren 675er. Der bald 70-jährige Weghofer ist seit 30 Jahren ÖVP-Bürgermeister dieses schönen Ortes, der nicht nur wegen seiner Musikfestivals gerühmt wird, sondern auch wegen der Ananaserdbeeren. Mit denen haben nicht nur die vielen Marktfahrer der Gegend seit jeher die Wienerstadt beliefert. Der Bürgermeister und seine jeweils regierende Ananaskönigin machen jährlich ihre Aufwartung in der Bundeshauptstadt. "Mit dem Wiener Bürgermeister gab es immer ein gutes Verhältnis."

Das soll auch so bleiben. Am 13. November, wenn der dann sicherlich strahlend schöne Baum vom Wiener Stadtchef illuminiert werden wird, ist Wiesen natürlich vertreten. Matthias Weghofer kündigt an: "Wir kommen mit zwei Bussen." (Anna Giulia Fink, Wolfgang Weisgram, 5.11.2021)