Peng Shuai wirft einem chinesischen Politiker Missbrauch vor.

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Die Nachricht blieb nicht ewig online – aber lange genug, um sich weltweit zu verbreiten. Die chinesische Tennisspielerin Peng Shuai hatte dem ehemaligen Vizeministerpräsidenten Zhang Gaoli über den Mikrobloggingdienst Weibo eine Reihe sexueller Übergriffe vorgeworfen. Zhang Gaoli ist 75 Jahre alt, Peng Shuai 35, ihr offener Brief überlebte keine 30 Minuten – ehe er der chinesischen Zensur zum Opfer fiel.

Aber gelöscht ist nicht vergessen. Selbst die flotteste Behörde kann nicht jedem Screenshot hinterherlaufen. "Es ist nicht zu beschreiben, wie angewidert ich war, wie oft ich mich gefragt habe, ob ich noch Mensch bin", hatte Peng Shuai unter anderem geschrieben. Vor zehn Jahren sei die Profisportlerin erstmals sexuell missbraucht worden, später sei sie unter Druck eine Beziehung mit dem Politiker eingegangen. Es ist das erste Mal, dass ein solcher Vorwurf gegen einen der führenden Köpfe Chinas erhoben wird. Und es ist ein Vorwurf, der gewaltigen Mut erfordert. Prominente chinesische Feministinnen sorgen sich um die Sicherheit ihrer Landsfrau.

Peng Shuai wurde 1986 in der Provinz Hunan geboren. Ihr Vater war Polizeibeamter, ihr Onkel Tennistrainer, ihr Vorbild John McEnroe. Im Alter von zwölf Jahren stand die Karriere aufgrund eines Herzfehlers auf der Kippe, ein Jahr lang musste der Teenager mit dem Training pausieren. Wo andere aufgegeben hätten, kam Peng Shuai richtig in die Gänge.

2014 eroberte die Chinesin die Spitze der Weltrangliste im Doppel, ihre größten Erfolge feierte sie mit zwei Grand-Slam-Titeln, 2013 in Wimbledon und 2014 bei den French Open, jeweils an der Seite der Taiwanesin Hsieh Su-wei. Im Einzel kletterte Peng Shuai bis auf Rang 14 der Weltrangliste empor, die eingespielten zehn Millionen Dollar Preisgeld lassen sich auch sehen. Die Frau hat alles getan und auch erreicht, um als Legende in die Sportgeschichte ihres Landes einzugehen.

Aber nun soll Peng Shuai offenbar aus dem kollektiven Gedächtnis gestrichen werden. Die publik gewordenen Vorwürfe lassen sich über Weibo nicht diskutieren, selbst das Wort "Tennis" zeigt in der Suchmaschine nur verifizierte Ergebnisse an. Schreddern auf chinesische Art.

Ob Peng Shuai den Vorwürfen Beweise folgen lassen kann, ist nach ihrem Statement ungewiss: "Sie hatten immer Angst, dass ich ein Tonbandgerät mitbringen würde. Es gibt keine Audioaufzeichnung, keine Videoaufzeichnung, nur meine verzerrte, aber sehr reale Erfahrung." (Philip Bauer, 4.11.2021)