Gernot Blümel hat Grund zur Freude.

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Die ÖVP verteidigt Ex-Kanzler Sebastian Kurz mit dem Argument, dass Ex-Finanzminister Hartwig Löger teilentlastet und Ex-Sektionschef Christian Pilnacek freigesprochen wurde.

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Auch das konnte die ÖVP am Donnerstag feiern: Laut einem Bericht des "Kurier", der sich auf den Anwalt der ÖVP-Beschuldigten beruft, werden sämtliche Anzeigen gegen Finanzminister Gernot Blümel wegen Falschaussage von der WKStA niedergelegt. Das bedeutet, dass es keine Ermittlungen gibt, weil kein Anfangsverdacht besteht. Die Fraktionsführer von SPÖ, Neos und FPÖ hatten Blümel wegen Falschaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss angezeigt. Grund dafür waren Widersprüche in den Aussagen des Finanzministers bei seiner Befragung am 25. Juni des vergangenen Jahres und in diversen an die Öffentlichkeit gelangten Chatnachrichten wie etwa jenen zwischen Blümel und Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann.

Der Verdacht lautete, dass Blümel "tatsachenwidrig" angegeben habe, dass er nicht wisse, ob Novomatic-Vertreter, allen voran der Chef des Glücksspielkonzerns, Wünsche ausgedrückt hätten, die zeitlich oder sachlich mit einer Spende in Verbindung zu bringen sind. Die Anzeige wurde von den Fraktionsführern der drei Oppositionsparteien und einer anonymen Person eingebracht.

Die Abgeordnete Stephanie Krisper (Neos) warf Blümel zudem vor, widersprüchliche Aussagen um die Frage zu tätigen, ob er darüber informiert gewesen sei, dass der Vertraute von Sebastian Kurz, Thomas Schmid, Vorstand der Staatsholding Öbag werden soll. Zudem habe Blümel behauptet, er sei nicht im Entscheidungsprozess involviert gewesen. Diese Vorwürfe wurden fallen gelassen, es kommt zu keiner Anzeige – Blümel ist somit entlastet.

Kurz soll ausgeliefert werden

Die Ermittlungen gegen Sebastian Kurz stehen hingegen aktuell auf Halt. Er genießt politische Immunität – und ist somit vor Strafverfolgung geschützt. Hintergrund dafür ist seine Angelobung zum Chef des ÖVP-Parlamentsklubs nach seinem Rücktritt als Bundeskanzler. Das dürfte sich aber noch in diesem Monat ändern: Seine Immunität soll am 16. November im Immunitätsausschuss thematisiert werden, kündigt die SPÖ-Justizsprecherin und Ausschussvorsitzende, Selma Yildirim, an.

Wenn der Ausschuss den Weg frei gemacht hat, muss im Plenum über die Auslieferung abgestimmt werden – damit könnte sie bereits am 18. November auf der Tagesordnung des Nationalrats stehen, sagt Yildirim. Die ÖVP hat wiederholt erklärt, die Aufhebung zu unterstützen. Die SPÖ meldete allerdings Zweifel an und befürchtet eine Verzögerungstaktik, um die Auslieferung von Kurz möglichst weit nach hinten zu verschieben.

Ermittlungen ruhen

Bis es so weit ist, muss die WKStA Ermittlungen, die den Ex-Bundeskanzler persönlich betreffen, ruhen lassen. Konkret geht es um die Vorwürfe zur Bestechlichkeit und Untreue im Zuge der Inseratenaffäre. Es gilt die Unschuldsvermutung. Kurz soll– gemeinsam mit Mitarbeitern und Parteifreunden – Umfragen in der Tageszeitung Österreich manipulieren haben lassen, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Zudem ermitteln die Behörden wegen falscher Zeugenaussage im U-Ausschuss. Kurz bestreitet alle Vorwürfe vehement.

Die Türkisen gaben sich am Donnerstag "sehr zuversichtlich, dass sich der Sachverhalt bald aufklären wird". Die "falschen Vorwürfe" gegen Kurz würden sich "rasch" entkräften lassen. Die Verfahren würden ebenso wie jene gegen Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) oder den suspendierten Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek mit Einstellung oder Freispruch enden.

Löger teilentlastet

Im Fall Löger wurden die Ermittlungen um den Privatklinikbetreiber Premiqamed, eine Tochter der Uniqa, eingestellt. Die WKStA war dem Verdacht nachgegangen, dass Löger als Chef der Uniqa diese zu Zuwendungen an die ÖVP "ermutigt" haben soll. Mehrere türkise Ministerinnen und Minister waren infolge des Verfahrensabschlusses ausgerückt, um ihren Parteifreund zu unterstützen – und die Brisanz aktueller Ermittlungen hinunterzuspielen. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler monierte etwa, dass in Österreich das Prinzip der Unschuldsvermutung nicht eingehalten werde: "Die mediale und öffentliche Vorverurteilung schadet den Ermittlungen und den Beschuldigten." Auch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und Außenminister Michael Linhart (beide ÖVP) beklagten den "Reputationsverlust", den Löger erleide.

Die Neos-Abgeordnete Stefanie Krisper kritisiert das: Damit die Justiz ihre Verfahren zu einem Ende bringen kann, müsse die ÖVP "ihre permanenten Störfeuer und persönlichen Angriffe auf einzelne Staatsanwälte einstellen".

Nicht alles ist von Tisch

Löger ist mit der Einstellung des Premiqamed-Verfahrens nur teilweise entlastet – so wird er immer noch in der Casinos-Affäre, bei der es um angebliche Absprachen der ÖVP und FPÖ mit der Novomatic geht, als Beschuldigter geführt.

Auch Christian Pilnacek ist nicht entlastet – die zuständige Staatsanwaltschaft Innsbruck hat gegen den am Wiener Straflandesgericht erfolgten Freispruch zum Vorwurf der Verletzung des Amtsgeheimnisses Berufung angemeldet. Die Richterin sah bei der Weitergabe von Informationen zu Ermittlungen gegen eine Journalistin keine öffentlichen oder privaten Interessen verletzt.

Neben diesem Verfahren laufen noch weitere Ermittlungen, unter anderem auch um die Weitergabe von Informationen aus Strafverfahren. Pilnacek soll demnach eine Hausdurchsuchung bei dem Unternehmer Michael Tojner vorab verraten haben. (Muzayen Al-Youssef, 4.11.2021)