Bereits auf den ersten Seiten von Antje Rávik Strubels erst vor kurzem mit dem Deutschen Buchpreis 2021 ausgezeichnetem Roman setzt ein Sog ein: Adina, steht unter Schock. Die junge Frau hat es von Tschechien bis nach Deutschland und weiter nach Finnland verschlagen, wo sie zuerst in einem Hotel jobbt und dann eine Zeitlang bei ihrem Geliebten Leonides, einem estnischen Menschenrechtsprofessor, lebt. Meisterhaft erzählt die in Potsdam geborene Autorin eine Geschichte von Gewalt, einem sexuellen Übergriff und ungleichen Machtverhältnissen.

Antje Ravik Strubel, "Blaue Frau", 24,70 Euro / 428 Seiten, S.-Fischer-Verlag 2021

In gekonnt verflochtenen Handlungssträngen nimmt Strubel ihre Leserinnen und Leser mit auf diese europäische Migrationsgeschichte einer jungen Heldin, die sich zunächst aus den Dorfstrukturen ihrer Heimat im tschechischen Riesengebirge befreit, sich dann aufmacht nach Berlin, um dort im Grenzland zu Polen ein Praktikum zu machen, das sie mit toxischer Männlichkeit und einer traumatischen Vergewaltigung konfrontiert, bis sie weiter in den Norden nach Finnland flüchtet. Aber die Vergangenheit holt sie ein.

Die "Blaue Frau" – so lautet nicht nur der Buchtitel, diese taucht auch immer wieder im rettenden Hafen von Helsinki auf. Wer ist sie, diese "Blaue Frau"? Auch darüber haben wir mit der legendären Wiener Leporello-Buchhändlerin Rotraut Schöberl gesprochen, die Strubels Roman über eine traumatisierende Gewalterfahrung nur empfehlen kann. (red, 5.11.2021)