Das Wichtigste in Kürze:

  • Am "Youth and Public Empowerment Day" der Klimakonferenz demonstrieren zehntausende Demonstranten in Glasgow. Sie fordern die stärkere Einhaltung des Klimaabkommens von Paris.
  • Klimaschützer zogen eine verhaltene Halbzeitbilanz zur Klimakonferenz. Umwelt-NGOs zeigen sich zwar zufrieden mit Naturschutz-Zusagen, fordern aber mehr Finanzhilfen für Entwicklungsländer.
  • Österreich geht bei einer Erklärung der sogenannten High Ambition Coalition, die ehrgeizigeren Klimaschutz fordert, nicht mit. Grund dafür ist angeblich, dass die Atomenergie nicht dezidiert ausgeschlossen wird.
  • Der Umweltforscher Adil Najam warnt, dass eine Erderwärmung um zwei Grad Milliarden Menschen zu Flüchtlingen machen könnte
  • Die Superreichen leben, auch was das Klima betrifft, auf großem Fuß: Laut einer Studie der NGO Oxfam ist das reichste Prozent für rund 16 Prozent der Emissionen weltweit verantwortlich.

Zehntausende bei Demo mit Greta Thunberg erwartet

Knapp eine Woche nach dem Start der Weltklimakonferenz haben in Glasgow Tausende Menschen für mehr Tempo beim Klimaschutz demonstriert. Die Teilnehmer forderten am Freitag in Sprechchören einen "Systemwechsel" und mehr Klimagerechtigkeit – vor allem für ärmere Staaten. Auf Plakaten waren Slogans zu lesen wie "Kapitalismus killt den Planeten", "Handelt jetzt!" oder "Die Dinosaurier dachten auch, sie hätten Zeit".

Nach einem Marsch durch die Innenstadt sollte am Nachmittag (ca. 15.00 Uhr) die Gründerin der Klimaschutzbewegung Fridays for Future, die Schwedin Greta Thunberg, auf dem George Square eine Rede halten. Solidarisch mit den Demonstranten äußerte sich der frühere US-Vizepräsident Al Gore. "An alle in den Hallen der COP26: Jetzt ist die Zeit auf sie zu hören und zu handeln", schrieb er auf Twitter.

Am Samstag folgt gleich die nächste Demonstration in Glasgow, die nach den Erwartungen der Organisatoren sogar mehr als 100.000 Menschen anlocken soll. Auch hier reden Thunberg, Nakate und der schottische Rapper Loki. Mit dabei sind auch Landwirte, Gewerkschaften, religiöse Gruppen, antirassistische Aktivisten, indigene Gruppen und lokale Gemeindegruppen, wie es hieß. Der Protest ist Teil eines globalen Aktionstags, der nach Schätzungen der Organisatoren Hunderttausende in mehr als 200 Städten weltweit auf die Straße bringen wird.

Klimaschützer zogen verhaltene Halbzeitbilanz

Klimaschützer ziehen eine verhaltene Halbzeitbilanz der Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow. "Die Regierungen der größten Industrienationen (...) fallen mit großen Ansagen, aber wenig Tatkraft auf", erklärte Sven Harmeling von der Hilfsorganisation Care. Die Umweltorganisation WWF begrüßte weitreichende Verpflichtungen der meisten Länder zum Schutz von Wäldern und anderen natürlichen Lebensräumen, forderte aber eine solidere Finanzierung von Schutzmaßnahmen.

"Die in Glasgow versammelten Regierungen haben in den letzten Tagen wichtige Verpflichtungen in Bezug auf Wälder und Landnutzung angekündigt", erklärte Gavin Edwards vom WWF. Laut einem neuen Bericht der Organisation enthalten nun 92 Prozent der Klimaaktionspläne der Länder Maßnahmen gegen den Verlust von Natur. Im Juli waren es demnach noch 82 Prozent.

"Dies ist ein ermutigendes Zeichen dafür, dass mehr Länder die entscheidende Rolle naturbasierter Lösungen bei der Bewältigung der globalen Klimakrise erkennen", erklärte er WWF. "Die Regierungen müssen nun neue und zusätzliche Finanzmittel für naturbasierte Lösungen bereitstellen."

An der Finanzierung hapert es der Hilfsorganisation Care zufolge auch bei der Unterstützung ärmerer Länder im Kampf gegen den Klimawandel: "Zwar gab es zu Beginn der Woche zusätzliche Ankündigungen für mehr Klimafinanzierung an Entwicklungsländer, aber auch diese reichen nicht aus, um die versprochenen 100 Milliarden Euro bis spätestens 2022 zu erreichen", erklärte Care.

Die Industriestaaten hatten sich bereits 2009 dazu verpflichtet, ab 2020 eine jährliche Gesamtsumme von 100 Milliarden Dollar für den Klimaschutz in ärmeren Ländern aufzubringen. Das Ziel wird jedoch verfehlt und auch ein späteres Erreichen der Zielmarke ist nicht gesichert. Das nicht eingelöste Versprechen belastet die Verhandlungen zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens.

"In der zweiten Woche der Klimakonferenz wird es nun unter anderem darum gehen, mit allen Regierungen konkrete Meilensteine und Maßnahmen bis 2023 zu vereinbaren", erklärte Care weiter.

Österreich geht bei Klimaschutz-Erklärung nicht mit – wegen fehlenden Atomkraft-Ausschlusses

Die Emissionen bis 2030 halbieren, Subventionen für fossile Brennstoffe schnellstmöglich stoppen, Methanausstoß reduzieren, Klimafinanzierung sicherstellen – das ist im Wesentlichen das, was die sogenannte High Ambition Coalition in einem Statement fordert. Sie ist ein informeller Zusammenschluss aus mächtigen Industriestaaten und besonders vulnerablen Staaten, der sich auf Initiative der Marshall-Inseln im Vorfeld der Verhandlungen für das Pariser Abkommen herausgebildet hat. Im Grunde will die Gruppe schneller mehr in Sachen Klimaschutz erreichen. Rund zwei Dutzend Staaten des Zusammenschlusses von 61 Staaten – darunter die USA, Frankreich, Spanien und Neuseeland – haben die Erklärung unterschrieben, die wohl als Blaupause für eine Abschlusserklärung der Klimakonferenz verstanden werden will.

Österreich ist nicht unter den unterzeichnenden Staaten, obwohl Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) vor wenigen Tagen noch sagte, dass Österreich wieder bei der "High Ambition Coalition" dabei sein werde. Dem Vernehmen nach wird das damit begründet, dass Strom aus Erdgas und Atomenergie nicht explizit als grüne Übergangstechnologien ausgeschlossen werden. Österreich vertritt ja diesbezüglich auch auf EU-Ebene recht konsequent seine Haltung. Aber auch Staaten, die ihren Atomenergieaustieg bereits in die Wege geleitet haben – Deutschland oder Italien etwa –, finden sich unter den Unterzeichnerstaaten.

CO2-Fußabdruck der Superreichen 30-mal höher als verträglich

Die Pro-Kopf-Emissionen des reichsten Prozents der Weltbevölkerung werden im Jahr 2030 rund 30-mal größer sein, als mit einer Begrenzung der Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius verträglich wäre. Das geht aus einer von der Entwicklungsorganisation Oxfam anlässlich der Weltklimakonferenz vorgestellten Studie hervor, die zeigt, wie sich die bisherigen Zusagen der Regierungen auf den CO2-Fußabdruck der reicheren und ärmeren Teile der Menschheit auswirken würden.

Um die globale Erwärmung wie im Pariser Abkommen vereinbart auf 1,5 Grad zu begrenzen, dürfte im weltweiten Durchschnitt der Pro-Kopf-Ausstoß von Treibhausgasen 2030 maximal 2,3 Tonnen betragen – etwa die Hälfte des derzeitigen Wertes. Die Studie "Carbon Inequality in 2030: Per capita consumption emissions and the 1.5C goal" des Instituts für Europäische Umweltpolitik (IEEP) und des Stockholmer Umweltinstituts (SEI) zeigt, dass die Pro-Kopf-Emissionen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung 2030 noch weit unter einem mit der 1,5-Grad-Grenze verträglichen Wert bleiben werden. Die reichsten zehn Prozent dagegen werden sie um das Neunfache überschreiten.

Das reichste Prozent der Menschen wird sogar Pro-Kopf-Emissionen verursachen, die 30-fach über einem noch verträglichen Wert liegen. "Das bedeutet, dass, wer zum reichsten Prozent der Weltbevölkerung zählt, seine Treibhausgasemissionen im Vergleich zu heute bis 2030 um etwa 97 Prozent reduzieren müsste, um fair zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze beizutragen", lautete die Schlussfolgerung von Oxfam. Die reichsten zehn Prozent würden im Jahr 2030 für mehr Emissionen verantwortlich sein, als für die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze zulässig wäre, unabhängig davon, was die anderen 90 Prozent tun. (red, APA, Reuters, 5.11.2021)