Irgendwann ist der Punkt im Leben erreicht, an dem im Freundeskreis die Frage Nummer eins nicht mehr lautet "Auf welche Party gehen wir am Wochenende", sondern "Kennt wer einen guten Kreditmakler?". Die Generation der Millennials – mit Geburtsjahrgängen von 1981 bis Ende der 1990er-Jahre – wird gerade sesshaft oder würde das gerne werden. Betongold steht hoch im Kurs, nicht zuletzt durch die Erfahrungen der Pandemie. Die Verlagerung des Lebens und oftmals auch des Arbeitens ins Private hat bei vielen den Wunsch nach eigenen vier Wänden geweckt oder verstärkt. Die Preise für Eigentumswohnungen in Wien sind in den letzten Jahren aber regelrecht explodiert. "Im Jahr 2008 lag der Quadratmeterpreis bei Neubauwohnungen bei 2800 Euro, heute liegen wir bei 5100 Euro im Schnitt. Bei allem, was nicht Neubau ist, ging es von 2100 Euro auf 4000 Euro", erzählt David Savasci, der vor drei Monaten das Kredit-Start-up Miracl.at gegründet hat. Insbesondere junge Menschen soll es bei der Wohnfinanzierung unterstützen.

"Eine gewisse Hysterie"

"Absurd" finden diese Preise durchaus auch Makler wie Robin Kalandra, Maklersprecher des Österreichischen Verbands der Immobilienwirtschaft. "Vor einem Jahr hätte ich noch gesagt, dass die Spitzenpreise durch die Krise ihre Zacken verlieren werden, weil es nicht mehr viele geben wird, die sich das leisten können. Ich muss leider zugeben, dass ich eines Besseren belehrt wurde. Die Nachfrage ist konstant hoch, auch weil eine gewisse Hysterie herrscht, dass es nächstes Jahr noch teurer sein könnte."

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Wohnung suchen, Wohnung aufzeichnen? Für Millennials mit Eigentumswunsch ist es nicht einfach.
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Wie also Eigentum, das den eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen entspricht, in einer der lebenswertesten Städte der Welt finanzieren, besonders wenn man jung ist? Bei unserer Suche auf der Plattform Instagram nach jungen Menschen, die gerade gekauft haben oder suchen, melden sich innerhalb weniger Stunden um die 80 Leute. Das Thema emotionalisiert, jeder möchte seine Geschichte erzählen; wie er oder sie es geschafft hat – oder auch nicht. Denn für viele bleibt der Traum vom Eigentum eben nur das: ein Traum. "Seit unserer Studienzeit sparen mein Partner und ich auf ein Eigenheim", erzählt Anna* (36). "Wir haben nach langer Studienzeit endlich sichere Jobs mit halbwegs gutem Einkommen, endlich hatten wir genügend Eigenanteile zusammen. Der Markt lachte nur über uns. Unter einer halben Million Euro ist eine 80-Quadratmeter-Wohnung mit drei Zimmern in Wien, zumindest ohne Haken (keine Freifläche, renovierungsbedürftig, zu klein, schlechte Lage), kaum zu finden."

Miete statt Eigentum

Nach zwei Jahren gaben die beiden, die gerade auf 50 Quadratmetern leben, auf und suchen nun eine Mietwohnung, um eine Familie zu gründen. Ein anderes Paar hatte mehr Glück und wurde nach langer Suche im 22. Bezirk fündig. 380.000 Euro zahlten Bernhard* (23) und seine Partnerin kürzlich für eine 94-Quadrat meter-Wohnung mit einer 46 Quadratmeter großen Terrasse, mithilfe eines Kredits, den sie die nächsten 30 Jahre abstottern werden.

"Wir verstehen nicht, dass Banken oft bis zu 25 Prozent Eigenmittelanteil verlangen. Für Menschen unter 40 ist das bei den Preisen kaum anzusparen, wenn man nicht geerbt hat."

Endlich ist es gefallen, das E-Wort. In fast jeder Nachricht, die uns erreicht, kommt es auf die eine oder andere Weise vor. Denn jene, die nicht sehr früh zu sparen angefangen haben oder eine Bank gefunden haben, die auch bei geringen Eigenmitteln einen Kredit gewährt, haben oft 100.000 bis 300.000 Euro geerbt.

Wie Roman*, der als Creative Director in einer Werbeagentur zwar überdurchschnittlich gut verdient, aber sich die 100 Quadratmeter große Wohnung, die er mit seiner Frau und den beiden Kindern bewohnt, ohne die Unterstützung seiner Mutter nie hätte leisten können. 160.000 Euro kamen von der Mutter, 2017 kaufte Roman in der Nähe von Oberlaa und renovierte. "Wenn man sich heute die Durchschnittspreise in unserer Lage anschaut, könnten wir mindestens 450.000 Euro verlangen. Der Wohnungsmarkt ist komplett verrückt, was ich traurig finde. Wohnen ist ein Grundbedürfnis."

In diese Kerbe schlägt auch David Savasci von Miracl.at, wenn er sagt: "Unsere Mission ist es, Wohneigentum für jede Gesellschaftsschicht zugänglich zu machen, weil es für die Vermögensverteilung wichtig ist. Wenn nur jene, die viel Geld haben, gut reinvestieren, geht die Kluft zwischen Arm und Reich noch weiter auseinander."

Auch wenn es ertragreichere Investitionsformen geben soll, als Wohnungen zu kaufen, finden sich auch unter den Jungen jene, die Eigentum ausschließlich erwerben, um es zu vermieten. Manche fangen früh an. Wie Lucas, der im zarten Alter von 27 vier kleine Wohnungen in Wien besitzt und die Kredite durch die Einnahmen abbezahlt. "Ich bin schon in meiner Studienzeit lieber auf Besichtigungen gegangen, als fernzuschauen." Im Mai kaufte er mit 25.000 Euro an Eigenmitteln, die er durch ein Erbe bekommen hatte, und einem Kredit von der Hausbank seine erste Wohnung um 100.000 Euro, wenig später drei weitere. Warum? "Egal ob die Autos von selbst fahren oder wir gar nicht mehr miteinander reden, irgendwo muss man schlafen. Das hat Zukunft. In 25 Jahren sind meine Kredite abbezahlt, und es kommen 2000 Euro jeden Monat rein", rechnet er vor.

Ticken die Wiener Millennials also anders als die Generation ihrer Eltern? Ja und nein. Der Wunsch, Eigentum zu besitzen, ist ungebrochen groß, auch Millennials halten "Betongold für eine der sichersten Wertanlagen", wie es Helena* formuliert.

Weniger Ersparnisse

Ein prägnanter Unterschied ist sicherlich, dass die öffentliche Anbindung einer Wohnung heute als viel wichtiger eingestuft, auf Autos tendenziell verzichtet wird. Andere Unterschiede? "Die Leute haben weniger Ersparnisse bei stark gestiegenen Immobilienpreisen und wenig Wissen, wie der Prozess zum Wohneigentum funktioniert. Millennials haben weniger Bezug zu den traditionellen Banken, die Finanzierungskonzepte sind viel komplexer geworden", beschreibt Savasci die Situation.

Auf unsere Frage an die Millennials, welche Tipps sie anderen auf den Weg mitgeben würden, kommt "einen Kreditmakler engagieren" oft vor. Und sonst? "Einen ganz genauen Finanzplan machen", "früh sparen" und "verhandeln, verhandeln, verhandeln". Abwarten, dass es mit den Preisen vielleicht noch einmal besser wird, rät niemand. Und auch Robin Kalandra zitiert schmunzelnd einen Spruch eines Kollegen: "Man sollte nicht warten und dann Immobilien kaufen, sondern Immobilien kaufen – und dann warten." (Amira Ben Saoud, 06.11.2021)

*Namen auf Wunsch der Interviewten von der Redaktion geändert