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Ungarns Regierungschef Viktor Orbán verfechtet die "illiberale Demokratie".

Foto: REUTERS/Bernadett Szabo/File Photo

Nach mehrmonatigem Schweigen hat die rechte Regierung in Budapest erstmals zugegeben, dass sie die umstrittene israelische Spionagesoftware Pegasus erworben und in Dienst gestellt hat. "Die betreffenden Geheimdienst- und Polizeistellen verfuhren in jedem Fall gesetzeskonform", erklärte der Vorsitzende des parlamentarischen Verteidigungs- und Innenausschusses, Lajos Kósa.

Die mithilfe von Pegasus erfolgten Spähangriffe seien allesamt von Richtern oder vom Justizministerium genehmigt gewesen, fügte er hinzu. Kósa äußerte sich im Anschluss an eine Sitzung des Ausschusses am Donnerstag in Budapest. In dieser war Innenminister Sándor Pintér über die Verwendung der Software befragt worden. Alle weiteren Einzelheiten der Anhörung unterliegen bis zum Jahr 2050 der Geheimhaltung.

Hersteller auf US-Sanktionsliste

Die USA setzten vor wenigen Tagen den Hersteller NSO Group auf ihre Sanktionsliste. Die Firma aus Israel hatte stets beteuert, dass sie ihre Software ausschließlich an Regierungen verkaufte. Bei den Vertragsschließungen hätte sie insistiert, dass ihr Tool nur zur Bekämpfung von Terrorismus und organisiertem Verbrechen eingesetzt werde. Journalisten, Menschenrechtsorganisationen und Datenforensiker hatten im Juli erstmals über Pegasus berichtet. Sie konnten nachweisen, dass autoritäre Regime auf der ganzen Welt die Überwachungssoftware im großen Stil gegen Kritiker, Oppositionelle und Journalisten eingesetzt hatten. Die Software wurde als Trojaner unbemerkt auf die Mobiltelefone der Opfer geladen. Auf diese Weise konnte die Handys umfassend ausgespäht werden.

Ungarn ist wohl das einzige EU-Land, das Pegasus nicht nur angeschafft, sondern vermutlich zur Ausspähung einer größeren Zahl von Menschen verwendete, auf die in strafrechtlicher Hinsicht nicht der geringste Verdacht fiel. Unter den nachweislichen Opfern der Spähangriffe waren auch höhere Staatsbeamte, die der mangelnden Loyalität zum Orbán-Regime verdächtigt wurden.

Blick nach Moskau

Unter diesen Beamten war etwa der damalige Staatssekretär Attila Aszódi, der für den Ausbau des Kernkraftwerks Paks zuständig war. Orbán lässt die zwei neuen Reaktorblöcke vom russischen Staatskonzern Rosatom errichten, und in Budapest wird gemunkelt, dass Aszódi bei Orbán in Ungnade fiel, weil Moskau mit ihm unzufrieden gewesen sei. Unter den ausgespähten Journalisten war der Fotograf Dániel Németh, der im Sommer 2018 Orbáns Außenminister Péter Szijjártó in kroatischen Gewässern auf der Luxusyacht eines regimeabhängigen Oligarchen geknipst hatte.

Die Orbán-Regierung nahm zu den Pegasus-Vorwürfen monatelang nicht Stellung. Auch jetzt bleibt fast alles ungeklärt. Im Parlamentsausschuss ließ Innenminister Pintér die Fragen von Oppositionsabgeordneten unbeantwortet, wer die Überwachung von unbescholtenen Menschen veranlasste, deren Ausspähung durch Pegasus durch die Nachforschungen erwiesen wurde. (Gregor Mayer aus Budapest, 5.11.2021)