Nicht nur die Maschinen in der Papierfabrik sind groß. Leider wurden es zuletzt auch die Produktionskosten.

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Nachfrageseitig wurde in den letzten Jahren viel über den Buchmarkt geklagt. Zu wenige Leser sind nach eineinhalb Jahren Pandemie aber kein Grund mehr zur Sorge, viele Verlage verzeichnen die besten Verkäufe seit langem. Probleme tauchen aktuell aus der anderen Richtung auf und werden wohl auch auf der Buch Wien kommende Woche Thema sein.

Weil während Corona wegen dünnerer Zeitungen und Werbeprospekten weniger Altpapier angefallen ist, wird das Papier knapp. Mitschuld am Engpass ist auch, dass Holz und damit Zellstoff am Weltmarkt infolge der Pandemie rar sind und viele Papierfabriken während, aber auch schon vor der Corona-Krise von der Erzeugung bedruckbarer grafischer Papiere auf stärker nachgefragtes Verpackungsmaterial oder Hygienepapiere umgesattelt haben. Seit Jahren nimmt die Kapazität ab. Damit nicht genug. Dass Gas und Strom seit dem Sommer empfindlich teuerer geworden sind, merkt jeder Verbraucher. Ein besonders großer ist die Papierindustrie: Acht bis zehn Prozent der Herstellungskosten für Papier entfallen üblicherweise auf Energie. Aktuell liegen sie dreimal so hoch wie 2020.

Preisschwankungen normal

Preisschwankungen für Rohstoffe sind die Papierhersteller gewohnt. Der Zusammenfall mit der Energiekrise trifft sie aber. Von fehlender Pappe für Cover und von Papiermangel war deshalb zuletzt zu hören und davon, dass Kunden Bücher für Weihnachten schnell besorgen sollten, ehe sie vor leeren Regalen stehen. Das wäre auch für die Verlage schlecht, die in den nächsten Wochen traditionell ein Drittel ihres Jahresumsatzes machen. Wie dramatisch ist die Situation also?

Mit ernsthaften Engpässen vor Weihnachten rechnet Gustav Soucek nicht. Der Geschäftsführer des Hauptverbands des Österreichischen Buchhandels überblickt die Branche, auch steigende Verkaufspreise registriert er noch nicht. Durch die Teilung in Frühjahrs- und Herbstprogramm gebe es in der Branche lange Vorlaufzeiten, was Verlagen nun zugutekomme. Probleme gebe es nur bei kurzfristigen Nachbestellungen von Bestsellern.

Leeres Bestsellerlager

Mit diesem wiewohl happigen Luxusproblem sieht sich Zsolnay konfrontiert. Zwei Spitzentitel sind dort zurzeit komplett ausverkauft. Sie mögen noch in Buchhandlungen aufliegen, aber die Lager der zentralen Auslieferung sind leer. 20.000 Nachdrucke sollen in den nächsten Wochen kommen. Was vergangenes Jahr aber sieben Tage gedauert hätte, dauert derzeit zumindest doppelt so lang, sagt Verleger Herbert Ohrlinger. "Sofern man überhaupt einen Drucktermin kriegt." Ob er vor Weihnachten noch 10.000 Exemplare bekommt, die nötig werden könnten, weiß er nicht. Die Druckerei konnte sie ihm nicht zusagen, dabei handle es sich um einfach gedruckte Bücher. Bei aufwendigeren weiß er teils schon, dass heuer kein Nachschub mehr kommen wird.

Glück hatte man bei Droschl. Eine der langjährigen Druckereien des Grazer Verlags hat angesichts der sich anspannenden Situation schon im April Papier für das Frühjahr 2022 auf Vorrat gekauft. Es lagert nun in riesigen Zelten auf dem Firmenparkplatz: "Für ihre Stammkunden", sagt Annette Knoch. Sie wusste von der Aktion lange nichts.

"Andere Kunden warten schon"

Denn Verlage bestellen das Papier für ihre Bücher nicht selbst, sondern vergeben Aufträge an Druckereien. Diese legen ihnen daraufhin Angebote zu länger garantierten Preisen. Zumindest war das bisher so. Steigen die Kosten zwischen Angebot und Drucklegung, müssen Verlage das neuerdings aber hinnehmen, sagt Ohrlinger. Sonst heiße es: "Ihr könnt gern vom Vertrag zurücktreten, andere Kunden warten schon."

Für das Frühjahr rechnet man bei Droschl mit fünf Prozent höheren Herstellungskosten, das könne der Verlag noch schlucken. Für den Herbst traut Knoch sich noch keine Prognose zu. Bei Zsolnay arbeitet man für das Frühjahr derzeit nur mit Circapreisen, die um ein, zwei Euro angehoben werden können, sollte die Lage angespannt bleiben.

An Stellschrauben wie dünnerem Papier will keiner drehen. Denn Leser wären wohl unglücklich, sollte der Text von der einen auf die andere Seite durchscheinen. Seiten aus Platzgründen enger zu bedrucken ist für Ohrlinger auch keine Option.

Billigeres Papier keine Option

Und aus Kostengründen auf billigeres Papier umsteigen? Da ist auch Thomas Salzer skeptisch. Die in St. Pölten ansässige Firma Salzer Papier hat fast 30 Prozent Marktanteil bei Hardcover-Neuerscheinungen in Europa und versorgt neben heimischen Verlagen Konzerne wie Random House, Holtzbrinck und Hachette. Trotzdem spielen Bücher für Salzer quantitativ eine untergeordnete Rolle etwa neben fettdichten Lebensmittelverpackungen. Natürlich könnte man, statt hochwertigen holzfreies Papier zu bedrucken, auf ein günstigeres umsteigen. Im Gegenzug für 50 Cent Ersparnis begänne so ein Buch aber nach wenigen Wochen zu vergilben, sagt Salzer. Einfacher ist es für Verlage, schwächer nachgefragte Bücher, die sie routinemäßig nachdrucken würden, zurückzustellen und das veranschlagte Papier für populäre Titel zu verwenden. Je standardisierter ein Buch in Format und Ausstattung ist, umso leichter lässt sich das machen.

Auf Papiererzeuger von weiter weg auszuweichen ist für Peter Sodoma vom Verband Druck Medien hingegen keine Lösung, denn die Krise ist global. Laut ihm könnte Mitte 2022 wieder Normalität einkehren. Bis dahin beruhigt er: "Prinzipiell können wir drucken – auch wenn es länger dauert und teurer ist."

Zumindest bis die Druckplatten rar werden, um deren Aluminium die Autoindustrie konkurriert. Engpässe werden prognostiziert. (Michael Wurmitzer, 7.11.2021)