Wien – Klar, Popeye ist ein cooler Typ, stark und stets hilfsbereit. Aber wohnt er nicht schon drei Jahre lang gratis bei Olivia, die dauernd aus brenzligen Situationen zu retten er so stolz vorgibt? Sivan Ben Yishai bürstet in Liebe – Eine argumentative Übung die Geschichte vom spinatstarken Seemann und seiner schlotternden Freundin feministisch gegen den Strich.

Zwei große Säcke hängen dazu im Wiener Kosmos-Theater von der Decke, werden sie gedreht, sieht man Brustwarzen. Ziehen die Darstellerinnen das Innenfutter aus der plüschig-rosa Couch, wird sie zur Vagina. Apropos: Warum hat Popeye seine Olivia nie geleckt? Dieser Frage widmet das Ensemble gar ein Lied, das sich auf "nie seine Zunge in sie gesteckt" reimt.

Scham und Einsamkeit

Sivan Ben Yishais (1978 in Tel Aviv geboren, wohnhaft in Berlin) starker Text lässt von stereotypen Rollenbildern über vermeintliche Emanzipation bis zu sexueller Selbstbehauptung nichts aus – und das famos! Olivia wird vom Anhängsel zur erfolgreichen Autorin, die sich einst geschworen hat, nie bekäme ein Mann von ihr Kinder, eine gemeinsame Wohnung und ein gemeinsames Konto. Doch jetzt schämt sie sich, vor Popeye nackt herumzulaufen. Aus Angst vor Einsamkeit redet sie sich die Situation aber schön. Nur kein Drama machen, denn Drama mag ihr Kerl nicht.

Regisseurin Anna Marboe bringt diese kluge, launige Analyse flott auf die roséfarbene Bühne (Lisa Horvath), auf der das Darstellerinnenquartett (Anna Lena Bucher, Claudia Kainberger, Aline-Sarah Kunisch, Tamara Semzov) sich mit viel Witz verrenkt oder Salat aus der Packung mampft. Musik von Bonnie Tyler bis Beyoncé formuliert dazu eine popkulturelle Soziologie der Liebe: von ungleicher Sehnsucht bis zur selbstbewussten Forderung. Toll, muss ein Erfolg werden! (wurm) Bis 20. 11. F.: Bettina Frenzel

(6.11.2021)