Es gibt gegensätzliche Entscheidungstypen. Während die einen entschlossen ihre Entscheidungen treffen, quälen sich die anderen unentschlossen damit herum. Mit jeder Entscheidung, sei es für oder gegen etwas, wird automatisch auch etwas anderes ausgeschlossen.

Während das die Entscheidungsfreudigen kaum zu beeindrucken scheint, macht das den Entscheidungszögerlichen zu schaffen. In einem alten Sprichwort kommt diese Problematik sehr schön zum Ausdruck: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass! Beides auf einmal geht nicht.

Es gibt einen klugen Satz des vor 2000 Jahren von Kaiser Nero zum Selbstmord gezwungenen römischen Politikers Seneca, der weiteres Licht auf die Last mit dem Entscheiden wirft: Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer. Sich zu entscheiden, so lässt sich Seneca durchaus interpretieren, ist an sich gar nicht so schwer, schwer wird das Entscheiden nur durch die Angst vor dem damit verbundenen Wagnis. Eine Entscheidung zu treffen heißt immer auch, etwas zu wagen, sich zu trauen.

Sich zu entscheiden ist stets ein Unterfangen, zu dem auch Mut gehört. Mangelt es daran, wird es schwer, zu einem Entschluss zu kommen. Aus dem Karussell der Entscheidungszögerlichkeit auszusteigen, verlangt, die mit Entscheidungen verbundenen Nachteile den sich ergebenden Vorteilen zuliebe auf sich zu nehmen.

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Ob als sportliche Herausforderung oder quälender Prozess empfunden: Entscheidungen hängen auch von der Persönlichkeit ab.
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Fragen des Temperaments

Für Psychologen beschreibt das Temperament die Art und Weise, wie ein Mensch agiert und reagiert – kurz: den Stil seines Verhaltens. Umgangssprachlich das, was gemeinhin als Persönlichkeit, als für einen Menschen charakteristisch in allen Verhaltensausprägungen angesehen wird. Wodurch unterscheiden sich nun temperamentsmäßig die beherzten Entscheider von den zögerlichen? Im experimentalpsychologischen Labor sind Psychologen dieser Frage auf den Grund gegangen. Ihre Erkenntnis: Es gibt tatsächlich zwei gegensätzliche Entscheidungstypen. Die Beherzten, die entschlossen das potenzielle Wagnis "Entscheidung" eingehen und dann zielstrebig zu Werke gehen. Diese nennen die Psychologen handlungsorientiert. Die weniger Beherzten, die sich mit dem Entscheiden schwertun, nennen sie lageorientiert.

Die Bezeichnung "handlungsorientiert" spricht für sich. Lageorientierte berufen sich stark auf die Umstände, die Lage, bei früheren Entscheidungen und befassen sich stark mit konkurrierenden Bedürfnissen. Die Abteilung für experimentelle Persönlichkeitspsychologie an der Universität Osnabrück forschte nach und kam dem Unterschied noch eindeutiger auf die Spur. Ihre entschlossene Handlungskraft verdanken Handlungsorientierte vier Persönlichkeitseigenschaften: der Aufmerksamkeitskontrolle, der Motivationskontrolle, der Emotionskontrolle und der Fähigkeit zur Rückschlagbewältigung.

"Die schlimmste Entscheidung ist die Unentschlossenheit." – Benjamin Franklin

Als Erstes sorgt die Aufmerksamkeitskontrolle dafür, dass ablenkenden Impulsen nicht nachgegeben wird. Handlungsorientierte lassen sich von alternativen Wünschen (und ablenkenden Einflüsterungen) nicht beeinflussen und auslenken. Zweitens profitieren sie von ihrer ausgeprägten intrinsischen Motivation. Sie wissen, was sie wollen, und gehen mit einer dementsprechenden Selbstwirksamkeitserwartung zur Sache. Unterstützend dabei wirken Vorstellungen über den Nutzen der Zielerreichung, in der ein persönlicher Gewinn gesehen wird. Weitere Schubkraft wächst den Handlungsorientierten drittens aus ihrer Fähigkeit zur Emotionskontrolle zu.

Solche niemanden verschonenden Gefühlsschwankungen sind ihnen nicht fremd, nur lassen sie sich auch davon nicht von ihrem Wollen abbringen. Handlungsorientierte betrachten die Zielerreichung als sportliche Herausforderung. Der Gedanke, gegen niemand anderen anzutreten als gegen sich selbst, ist dabei ihr Motor. Gegen diesen "Gegner" zu verlieren, das kommt für sie nicht infrage.

Kraftquelle Mut

Sind das schon beachtliche Schubkräfte beim Entscheiden und für die Realisierung von Entscheidungen, sorgt eine vierte Eigenschaft für weitere Durchschlagskraft. Handlungsorientierte lassen sich durch Rückschläge nicht entmutigen. Auftretende Schwierigkeiten, sachliche wie zwischenmenschliche, wirken auf sie nicht blockierend. Im Gegenteil, sie spornen dazu an, nach Mitteln und Möglichkeiten zu fahnden, wieder freie Fahrt zu bekommen. Diese entschlossene Unverdrossenheit ist in ihrer Wirkung eine unschätzbare Kraftquelle – kommen die Handlungsorientierten doch dadurch in den Genuss einer Erfahrung, die Psychologen und Therapeuten zu den besonders persönlichkeitsstärkenden Eindrücken zählen: gegen Widerstände etwas erreicht zu haben.

Zu versuchen, sich am Beispiel der Verhaltenseigenschaften von Handlungsorientierten aus der Entscheidungszögerlichkeit zu lösen, könnte für Lageorientierte zu einem befreienden Schritt werden. Die Chancen dafür stehen gut. Zumal nicht allein die Erkenntnisse der Hirnforschung zeigen: Verhaltenseigenschaften sind keine unüberwindlichen Hindernisse. Immerhin hängen persönlicher Erfolg und persönliche Zufriedenheit in dieser disruptiv-transformationsbewegten Zeit auch mit davon ab, veränderungsbedingten Problemstellungen mit zupackendem Verhalten begegnen zu können. (Hartmut Volk, 17.11.2021)