Daniela Unterholzner wechselte die Branche und leitet seit 2017 das Neunerhaus, eine Sozialorganisation im Bereich Wohnungslosenhilfe.

Das Neunerhaus in Wien ermöglicht seit 1999 obdachlosen und armutsgefährdeten Menschen ein selbstbestimmtes und menschenwürdiges Leben mit medizinischer Versorgung, Wohnmöglichkeiten und Beratung. Die Geschäftsführung teilen sich die Sozialwissenschafterin und Sozialarbeiterin Elisabeth Hammer und die Marketingexpertin und Historikerin Daniela Unterholzner. Im Interview spricht Unterholzner über die Bedeutung von Marketing für Non-Profit-Unternehmen (NPO) sowie darüber, was Profit-Unternehmen von Non-Profit-Unternehmen lernen können und wie viel Arbeit hinter Corporate Volunteering steckt.

STANDARD: Sie haben Geschichte und Kunstgeschichte studiert, in Geschichte auch promoviert und waren jahrelang im Kulturbereich tätig. Seit 2017 sind Sie Geschäftführerin von Neunerhaus und Neunerimmo. Wie ist es dazu gekommen?

Unterholzner: Mich hat schon immer das Zusammenleben in unserer Gesellschaft interessiert. Im Kulturbereich hat mich jene Kunst besonders berührt, die tief in unsere Gesellschaft hineingegangen ist, wo Künstler beispielsweise mit gesellschaftlichen Themen gearbeitet haben. Irgendwann war dann für mich der Punkt erreicht, an dem ich nicht mehr nur mit den Themen arbeiten, sondern im sozialen Feld etwas bewegen und wirksam in meinem Tun sein wollte. Und ich wollte dorthin gehen, wo es wehtut. Und so bin ich vom Kunstbereich in die Wohnungslosenhilfe gekommen.

STANDARD: Sie waren stellvertretende Direktorin des Instituts für Kulturkonzepte. Inwiefern profitieren Sie bei Ihren aktuellen Aufgaben von diesen Erfahrungen aus dem Kulturbereich?

Unterholzner: Vom Institut für Kulturkonzepte habe ich einen starken unternehmerischen Spirit mitgenommen. Ich verwende für meinen beruflichen Weg sehr gerne den Satz, den meine damalige Chefin, die Direktorin des Instituts für Kulturkonzepte, Karin Wolf, oft zitierte: "Umwege erhöhen die Ortskenntnis." Diesen Spruch finde ich auch für mein Leben sehr passend. Wenn man mich vor einigen Jahren gefragt hätte, wo ich in fünf Jahren sein werde, dann hätte ich nie gesagt, dass ich Geschäftsführerin einer Sozialorganisation im Bereich Wohnungslosenhilfe sein werde. Aber wenn ich auf mein Leben zurückschaue, dann gibt es sehr klare rote Fäden: Ich helfe gerne Menschen, ihre Potenziale auszuschöpfen, setze mich kritisch mit gesellschaftlichen Fragen auseinander und denke unternehmerisch und innovativ.

STANDARD: Welche Skills, die ganz maßgeblich im NPO-Sektor sind, könnten auch in der Profit-Welt hilfreich sein?

Unterholzner: Ich tausche mich auch gern mit Managern aus dem Profitsektor aus, weil ich es extrem relevant finde, über den Tellerrand zu schauen. Und was da immer Thema ist: Wie setze ich die begrenzten Ressourcen so ein, dass ich meinem Auftrag entsprechend das Beste umsetzen kann – das gilt für den Profit-Bereich genauso wie für den Non-Profit-Bereich. Und natürlich sind die Logiken und Rahmenbedingungen im Profit-Bereich anders, aber die grundsätzlichen Skills sind in beiden Welten ähnlich: "Wie kann ich meinen Mitarbeitern die Sinnhaftigkeit des Tuns vermitteln?" Wertschätzung den Mitarbeitern gegenüber, aber auch das Thema Klarheit ist in allen Bereichen wichtig. Manager müssen mit zunehmender Schnelllebigkeit umgehen können. Das braucht viel mehr Flexibilität, die Rahmenbedingungen ändern sich schneller. Das ist etwas, mit dem Sozialorganisationen schon seit langem konfrontiert sind. Wir sind ständig gefordert, unsere Angebote anzupassen, innovativ zu sein. Und das bei sich ständig ändernden Rahmenbedingungen. Wir sind aber auch nach innen gefordert. Obwohl laufend neue Angebote implementiert werden, müssen wir für Stabilität sorgen. Auch wir folgen einer Logik von außen. Das unterscheidet uns nicht von Profit-Unternehmen, wohl aber die Wachstumsziele, denen der Profit-Sektor entsprechen muss.

STANDARD: Ist Corporate Volunteering ein wichtiges Instrument, um über den Tellerrand schauen zu können?

Unterholzner: Für Leute im Topmanagement gibt es andere Formate. Ansonsten finde ich es immer super, wenn in Unternehmen Corporate Volunteering angeboten wird. Für Sozialunternehmen heißt das aber immer zusätzliche Arbeit. Wir wollen die Firma gut betreuen, der Tag muss gut geplant sein. Corporate Volunteering ist etwas, das auch mit finanzieller Unterstützung verbunden sein sollte, weil es für die Sozialorganisation zusätzliche Arbeit bedeutet, die sonst unbezahlt bleibt.

STANDARD: Das Neunerhaus ist auf Spenden angewiesen, wie wichtig ist Marketing?

Unterholzner: Gutes Marketing und gute Öffentlichkeitsarbeit helfen uns, das vorherrschende Bild von wohnungs- und obdachlosen Menschen aufzubrechen, Vorurteile abzubauen und zu zeigen, wie breit und vielfältig das Problem schon ist. Wir sprechen von 22.000 betroffenen Menschen österreichweit. Und aus Sicht der Spender ist es wichtig, dass das Geld gut ankommt und professionell damit gearbeitet wird. Das muss auch nach außen vermittelt werden. In den letzten Jahren ist Marketing noch wichtiger geworden. Wir sind auf Spenden angewiesen, Jahr für Jahr mehr. Wir werden zwar vom Fonds Soziales Wien gefördert, aber wir können als Sozialorganisation nie sicher sein, wie sich diese Budgets in den nächsten Jahren verändern. (Gudrun Ostermann, 11.11.2021)