Kürzlich jährte sich der Wiener Terroranschlag zum ersten Mal. Der Attentäter erschoss vier Menschen.

Foto: Christian Fischer

Im Sommer vor dem islamistischen Terroranschlag am 2. November 2020 trafen sich amtsbekannte Jihadisten in Wien – darunter auch junge Männer aus Deutschland. Das Treffen wurde vom Verfassungsschutz observiert, nachdem deutsche Kollegen darum gebeten hatten. Erst dadurch wurden die Sicherheitsbehörden darauf aufmerksam. Sie observierten die vier Tage dauernde Zusammenkunft von insgesamt rund 25 Teilnehmern.

Auch der Wiener Attentäter nahm daran teil. Wie sich später herausstellen sollte, fuhr dieser direkt danach – vergeblich – in die Slowakei, um sich Munition zu besorgen. Doch die Behörden unternahmen vorerst nichts, obwohl sie entsprechende Hinweise hatten. Die Tragweite des Treffens dürfte damals grob unterschätzt worden sein – wie Recherchen von STANDARD und SPIEGEL erneut bekräftigen.

Konkrete Pläne

Mittlerweile hegt die hiesige Justiz jedenfalls den Verdacht, dass beim Treffen die späteren Anschlagspläne besprochen wurden. So ist etwa in Ermittlungsakten zu lesen, dass ein österreichischer Beschuldigter "anlässlich dieser Treffen (...) die Tatausführung besprach und Pläne zur Anschaffung der Tatmittel schmiedete". Auch die deutschen Beschuldigten – die eigentlichen Zielpersonen der damaligen Observation – werden in diesem Zusammenhang explizit genannt.

Die Behörden gehen offenbar davon aus, dass auch zwei deutsche Beschuldigte nach dem Jihadistentreffen konkret von Anschlagsplänen wussten. An dem Abend, an dem ein gemeinsames Treffen in der Wohnung des mutmaßlich engsten Komplizen des Attentäters stattgefunden haben soll, soll der Attentäter über seine Pläne gesprochen haben.

Nicht informiert

In die Indizien in diese Richtung reiht sich nun auch ein Gutachten ein. Demnach wurden DNA-Spuren des deutschen Beschuldigten B. S. auf Klebeband gefunden, das für eine Sprengstoffgürtel-Attrappe, die der Attentäter am Tag des Anschlags getragen hat und aus Getränkedosen bestand, verwendet wurde. Wie die Spuren dorthin kamen, ist allerdings noch unklar. B. S. nächtigte im Rahmen des Jihadistentreffens beim späteren Attentäter und soll überwiegend Zeit in dessen Gesellschaft verbracht haben. Schon zuvor soll er via soziale Medien Kontakt mit dem Attentäter gehabt haben.

B. S. wird vorgeworfen, die Vorbereitungen für den Anschlag nicht angezeigt und damit Opfer billigend in Kauf genommen zu haben. Sein Anwalt Jan van Lengerich will zu dieser Auslegung auf Anfrage nichts sagen, das DNA-Gutachten liege ihm noch nicht vor. Die Vorwürfe betreffen auch D. G., den zweiten Deutschen. Auch von ihm wurden DNA-Spuren gefunden – und zwar in der Wohnung des Attentäters. Sein Anwalt will ebenfalls keine Stellung beziehen. Die beiden jungen Männer sind auf freiem Fuß. (Vanessa Gaigg, Jan Michael Marchart, 6.11.2021)